Vor einem Monat haben Lore und Marie mich zum Flughafen gebracht. Zeit ein umfassendes, langweiliges Resuemee zu ziehen. STOPP! War nur ein Witz, weiterlesen, es kommen spannende Geschichten.
Zum Beispiel war da der 29.08. Zur besseren Vorstellung, das ist ungefaehr wie der erste Mai in Berlin. Viel Polizei, viele Demonstrant_innen und viel Fetz auf den Strassen. Auf dem Heimweg von der Arbeit hab ich gelernt, dass Traenengas ziemlich lange in der Luft bleibt. Die Demo war naemlich schon weg, der wuerzige und reizende Geruch war allerdings noch da, wie ich feststellte, nachdem ich mich gewundert hatte, warum alle Leute sich Tuecher vor die Nasen hielten. Ansonsten hab ich mich mangels Demobezugsgruppe (OTTE WO SEID IHR?) da rausgehalten. Ist irgendwie nicht so prickelnd, wenn die Polizisten ihre Schlagstoecke ziehen und man nicht versteht, was die Leute so sagen.
Das Wochenende dagegen war mit relativ wenig Politik, dafuer ziemlich viel Party und Kunst verbunden.
Ich hab mich naemlich mit den Freunden von René getroffen, die alle wirklich ziemlich nett sind. (@ René: Du haettest mich allerdings vorwarnen koennen, dass das alles Skater und Hiphopper sind...) Viel ueber den gemeinsamen Freund und Exmitbewohner konnten wir allerdings nicht reden, weil wir in einer Disko waren. Mit viel HipHop. Hm, nicht gerade meine Musikrichtung, hab aber - aus purem Trotz trotzdem getanzt. Erwaehnenswert ist hier noch ein Gespraech mit einem richtigen Macho, dass ich im Folgenden annaehernd woertlich wiedergeben werde:
Er: "Was machst du so?"
Ich: "Ich mache ein Praktikum in einer Organisation fuer Frauenrechte."
Er: "Bist du Feministin?"
Ich: "Hm, ja."
Er: "Aha, also ich denke, dass ist schon in Ordnung so, aber am Ende braucht jede Frau einen Mann, um Frau sein zu koennen. Das ist einfach biologisch so."
Aeh, ja, danke.
Neben Machos hab ich auch noch Faschos gesehen. Das war so: Ich sass mit Dominique in "Patagonia", einer sehr netten Bar, gleich neben unserem Haus. Der Abend war warm, weswegen wir einen Tisch unter freiem Himmel vorzogen. Ploetzlich lief ein Punk an uns vorbei, der eine Tasche - offensichtlich erst seit wenigen Augenblicken in seinem Besitz - an sich gedrueckt hatte. Kurz darauf kam der fruehere Besitzer der Tasche mit einigen Freunden angerannt. Insgesamt hatte diese Prozession wenige Haare, dafuer hochgeschnuerte Schuhe. Einen Augenblick spaeter kam die Fascho-Fraktion zurueck. Ohne Tasche, was hoffentlich bedeutet, dass der mutige und ziemlich dumme Dieb auch heute noch bei guter Gesundheit ist. Sie wirkten leicht frustriert und begannen, wohl um nicht untaetig zu sein "Sieg heil!" zur rufen. Ich muss etwas bleich geworden sein, denn Dominique fragte, was die da gerade gesagt haben.
Neben "Sieg heil" hab ich heute auch noch "Heil Hitler" gehoert, womit ein komischer Mann mich auf dem Plaza de Armas beleidigen wollte, als ich ihm weder Geld geben, noch seine Telefonnummer haben oder mit ihm nach Hause gehen wollte.
Damit ihr jetzt aber nicht denkt, dass hier gerade alles ganz furchtbar ist, noch ein paar angenehmere Geschichten:
Gestern habe ich mich mit Viviana getroffen, mit ihr werde ich einen Sprachaustausch machen. Die ist toll. Wir haben uns ungefaehr zwei Stunden wirklich gut unterhalten. Sie ist Schauspielerin und - wie ich am gleichen Abend festgestellt habe - eine ausgesprochen gute. Auf ihre Einladung hin, hab ich mir naemlich das Stueck angesehen, dass sie gerade auffuehren. Ziemlich experimentell und echt super. Ich hab sogar die grobe Handlung und einige Witze verstanden. Es ging um vier Leute, die ein Plagiat begehen und ein fremdes Stueck klauen. In der Folge kommt es zu ziemlichem Streit in der Gruppe, auch weil irgendwelche Leute in andere Leute verliebt waren und so, da hab ich nicht viel verstanden. Was sehr lustig war, war wie sie mit mathematischen Formeln das Geheimnis der Dramaturgie erklaert haben. Ausserdem haben sie noch gesellschafts- und medienkritische Elemente eingebaut. War wirklich toll.
Auch nett, aber etwas schwieriger in der Konversation war Juan, mit dem ich mich heute getroffen habe. Das ist ein Peruaner, den ich im Auslaender_innenbuero kennengelernt habe. Und nachdem ich versprochen hatte, nur eine Stunde wegzubleiben, durfte ich auch gehen. Laut Dominique sind naemlich alle Peruaner Luegner, Diebe und Machos. Ich hab ihr natuerlich gleich an den Kopf geworfen, dass sie Vorurteile hat. Nun gut. Zu der Person von Juan ist zu sagen, dass er definitiv keines der drei Kriterien von Dominique erfuellt. Wird aber vielleicht noch, er ist naemlich auch erst 20. In Chile ist er erst seit kurzem und hat keine Freunde hier, was wohl hauptsaechlich daran liegt, dass er an 6 Tagen in der Woche 10 Stunden in einem Supermarkt arbeitet. (Eine Tatsache, bei der Dominique beinahe aus dem Fenster gesprungen waere.) Und schwierig war die Konversation, weil er anscheinend auch keine Hobbies oder Interessen hat. So gesehen, war es auch nicht so schlimm, dass ich mich nach einer Stunde schon wieder verabschiedet habe. Naja. Witzig daran fand ich eigentlich eher, dass ich hier in Chile schon Erfahrungen mit Dieben (Taxifahrer am Anfang) und Machos (siehe oben und diverse, weniger spektakulaere Erfahrungen) gemacht habe und der Peruaner, vor dem ich ganz fest gewarnt wurde, sich als wirlich unbedrohlich entpuppt hatte. Alle verrueckt. Auf der ganzen Welt.
Zum Abschluss noch kurze News aus der Arbeit: Am Freitag gab es ein Treffen mit meiner neuen Projektgruppe. Wir werden zum Thema "Politische Partizipation junger Chileninnen" eine Untersuchung durchfuehren. Genaueres weiss ich noch nicht, in der naechsten Woche werden wir Texte lesen und das Thema weiter eingrenzen. Aber alle waren hoch motiviert und ich glaube, das wird wirklich lustig.
Also, kein Zettelordnen mit Freddie (dem Menschen, nicht dem Stein) und Silvia mehr.
Herzliche Gruesse an alle, die es geschafft haben, das hier bis zum Ende zu lesen. Ich hoffe, die Laenge der Eintraege sprengt noch nicht den Rahmen des Ertraeglichen und die Ausschnitte aus meinem Leben in Chile langweilen euch nicht zu Tode.
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