Dienstag, 20. Januar 2009

TALES OF DOOM....(Doon) ... UPDATE with pictures

So, ich wohne also seit Anfang des Monats in Dehradun, von Bewohnern teilweise DOON genannt. Über den Fortgang des Praktikums schweige ich besser. Ich wohne in einem Hotel, das mir einen Bungalow im Hotelgarten für einen günstigen Monatstarif gegeben hat. Recht komfortabel: ich habe eine Dusche (die mir natürlich ausschließlich entweder eiskaltes oder kochend heißes Wasser gibt), eine komplett eingerichtete Kochecke (mit Gasherd, Geschirr, Besteck, aber keinen Messern) mit Kühlschrank (stinkt, hat Schimmelflecken, ist bei Betrieb laut, und wegen all diesen Gründen von mir ausgestöpselt) und einer dicken Bettdecke, die ich auch brauche, weil es natürlich keine Heizung gibt. Fünfmal am Tag ist Stromausfall, aber das ist wohl überall in Dehradun so und nicht nur in meinem Hotel.

Sonstige fun facts über das Hotel: Es hat die Hausnummer 13 (Oh nein!), liegt neben einer Moschee, die mich mehrmals am Tag per Gebets-Ausrufen beschallt und hat eine nette Betreiberfamilie. Der Opa macht im Sekundentakt "Hnnh!" Geräusche aus dem Rachen und spielt im Mund mit dem Gebiss. Frühmorgens latscht er rum und macht überall im Hotelhof das Licht aus, was mich schon mehrmals erschreckt hat. Man schläft unschuldig und plötzlich nähert sich jemand der Tür - schlurf, schlurf, hnnh!, hnnh!

Letztens hat die Familie das Lodhi-Fest mit ihren Gästen begangen, so eine Art Erntefest. Man stand um ein Lagerfeuer herum, wünschte sich Happy Lodhi und aß Erdnüsse und Popcorn. Der Hnnh!-Opa setzte sich an so ein Akkordeon-Klavier, der Vater hat dazu gesungen, die Mutter hat den Takt getrommelt und die Töchter mussten vortanzen. Inder tanzen und feiern witzig, ich kam mir als einziger Nichtinder ein wenig doof vor. Einmal erkannte ich ein Lied, es war ein Hit aus einem aktuellen Bollywood-Film.

In Doon gibt es weniger Bleichgesichter, weshalb ich noch mehr angestarrt werde als in Delhi. Da das hier eine der Bildungsmetropolen Indiens ist (500 High Schools laut Wikipedia - bei 500 000 Einwohnern), beherrschen je nach Tageszeit Kinder und Jugendliche in Schuluniformen das Stadtbild. Viele Mitbewohner in meinem Hotel sind ebenfalls Dauergäste, die hier studieren.

Mein Arbeitsplatz (ha!) liegt an der Rajpur Road, so eine Art Hauptstraße mit vielen Geschäften - unter anderem Gaylords Geschäft mit Samsung-Produkten, der mit seinem unironisch präsentierten Namenszug meinen juvenilen Humor anspricht. Ein paar Häuser von hier gibt es Kumars Sweets, meinen Lieblings Sweets Shop.


Natürlich hat der Shop zu Stoßzeiten zwölf Angestellte rumstehen, die hinter ca. zehn Theken eine große Auswahl selbst hergestellter Süßigkeiten verkaufen. Die höchste Zahl an Kunden, die ich dort gleichzeitig erlebt habe: 5. Und auch dann geht es langsam, da man nur bei einem der zwölf Angestellten bezahlen kann. Ich probiere mich mit der Zeit sehr unsystematisch durch das Angebot, heute habe ich 250g Jalebi gegessen, eine einzige Kalorienbombe. Wegen der Kommunikationsschwierigkeiten - ich spreche ja kein Hindi - ist die Portion etwas groß ausgefallen. Jalebi ist Teig, der erst in Fett fritiert und dann nochmal in Zuckersirup gebadet wird. Beißt man rein, schiesst einem der ganze Zuckersaft in den Mund.


Etwa sechs Kilometer von Doon entfernt fußt ein Berg, auf dem es einen spektakulären Wasserfall und ebenso sehenswerte Kloster zu bestaunen gibt. Außerdem kann man die Himalaya-Kette in der Ferne sehen. Angeblich. Um da hinaufzukommen, muss man über eine Stunde mit dem Bus Serpentinen hochfahren. Jetzt überlege ich, ob ich mir ein paar Plastiktüten einpacken und eine Fahrt riskieren soll, oder ob ich schlau und risiko-avers hier unten bleibe. Denn mir wird schon in harmlosen Bussen in Deutschland schlecht, die auf ebener Erde geradeaus fahren.

Wie lebt es sich hier so? So:

Gestern nacht hörte ich plötzlich Geräusche, sprang aus dem Bett und machte Licht an - eine Maus huschte an der Wand entlang! Eingangstür nach draussen aufgesperrt und wild im Zimmer rumgejagt, damit die rausläuft. Aber sie verzog sich ins Badezimmer. Von draussen hörte ich ab und zu Lachen, vielleicht sahen mich die Nachbarn durch die offene Tür in Unterwäsche durchs Zimmer hüpfen?

Na gut, ich sperrte das Badezimmer zu und die Maus damit ein, um mir in Ruhe zu überlegen, was ich mit der Situation Schlaues anstellen kann. Bis morgen warten und mit einem Hoteltypen zusammen jagen? Da huschte sie schon wieder an der Wand entlang! Ich stürzte auf den Boden und versuchte, sie unter Bett und Kleiderschrank zu erspähen, aber es gab nichts zu sehen? Mooooment, die ist doch eigentlich im Badezimmer gefangen? Doch im Badezimmer war keine Maus. Und auch kein Ausweg, ich ging die Wände einmal ab... kein Loch, keine Fluchtmöglichkeit. Und doch ist sie rausgekommen...

Da ich sie nicht mehr hörte, schloß ich die Wohnungstür und legte mich wieder hin. Anscheinend hatte sie die Flucht ergriffen, aber bestimmt die Tür geschmäht. Und sich teleportiert.

Hm, als ich mich letztens morgens schön auf den Weg zur Arbeit (ha!) mache, sehe ich gegenüber des Hotels erstmal zwei wilde Schweine in einem Müllhaufen wühlen. Pittoresk. Der morgendliche Verkehr hupt mich an, ich gehe ja auch ganz normal auf der Straße. Die Bürgersteige, so vorhanden, meidet man, weil sie (vermutlich durch den alljährlichen Monsun) so teilzerstört sind, dass man sich fast vom Hingucken die Knöchel bricht. Außerdem halten Inder ja gerne am Straßenrand an, um sich zu erleichtern. Und wo ist man der ganzen Pisse am nächsten? Auf den Bürgersteigen. Weil ich nicht von den plötzlichen Pissfahnen in gewisse Knöchelsituationen geschockt werden will, gehe ich also auf der Straße. Wie alle anderen auch.

Vor mir sehe ich einen Kleinlaster am Straßenrand stehen. Er versperrt mir natürlich den Weg, also weiche ich nicht etwa weiter auf die Fahrbahn zum Verkehr aus, sondern gehe entlang der Häuserwand vorbei. Hinter dem Laster gaffen etwa sechs Leute in meine Richtung. Normal, ich gehe am Laster vorbei, denke mir gerade was über gaffende Inder, als es hinter mir laut kracht. Ich sehe mich um: Auf der Pritsche des Kleinlasters steht ein Mann und lädt ab, d.h. er wirft achtlos schweren Sperrmüll zwischen Laster und Häuserfront. Oh, great, zwei Sekunden früher hätte mich das Brett dort am Kopf erwischt. Die gaffenden Leute hätten den Pritschenarbeiter oder mich ja mal warnen können?

Besonders stolz bin ich darauf, die Gasse des Todes entdeckt zu haben, die mir den Weg zur Arbeit deutlich verkürzt. In Deutschland würde man die wohl als Gehwehg bezeichnen, da sie ca. zwei Meter breit ist. Links und rechts Mauern, so dass man den Motorrad- und Mopedfahrern schlecht ausweichen kann, die dort hupend durchheizen. Aus dem Weg, Opa!, werden sie sich denken. Es ist halt eine beliebte Abkürzung. Besonders witzig, wenn es dunkel ist und ungefähr ein Drittel der Mopedfahrer ohne Licht einfahren. Die Gasse des Todes ist natürlich nicht beleuchtet und so ist es wohl Glückssache, ob man jemanden erwischt. Inder sind im allgemeinen Optimisten.




Soviel zu meinem neuen Wohnort, der mir bestimmt nicht so ans Herz wachsen wird wie Delhi. Demnächst kommt ein Post über Essen, glaube ich.

l8er, d00dz...

Dienstag, 6. Januar 2009

Long time no see

Ich war auf Goa, da sollte ich doch was zu erzählen haben?

Langweilige Normalo-Sachen:
- am Strand gelegen CHECK
- Sonnenbrand bekommen CHECK
- Strandhändlern jede Menge Tand abgekauft CHE... ne, nur ein paar GOA-Trickots.

Naaaaaja. Am zweiten Weihnachtstag waren wir in einer Kneipe, in der ausschließlich Briten waren. Man konnte durch die Scheibe in die Küche gucken, wo ein halbes Dutzend Köche und Gehilfen wahlweise Löcher in die Luft starrten oder alle zusammen eine handvoll Gerichte zubereiteten und sich dabei im Weg standen.

Der wahre Spaß lag aber diesseits der Scheibe. Die Kneipenbesitzer hatten einen singenden Animateur engagiert, der mit seiner Karaoke-Maschine die Massen beglückte. Wobei, dieses Krakelen hatte wenig mit "Singen" zu tun. Jeder Einsatz wurde verpasst, kein Ton getroffen, es wurde indisch-näselnd geleiert und gekrächzt. Die armen Oldies wurden schlimm mißhandelt.

Und die britischen Oldies im Publikum auch, aber sie ließen sich nichts anmerken. Stiff upper lip und so. Ab und zu kriegte der Karaoke-Musikhasser ein paar Leute zum Tanzen, meist das von uns als Patty-und-Selma verunglimpfte Schwesterpaar, das beim Pirouettieren immer unglücklich und schlecht koordiniert ineinander hüftete. Heute reissen wir uns einen auf!, müssen sie gedacht haben.

Bei einer britischen Familie war das schon passiert, jede der beiden Töchter hatte einen jungen Inder mit Gelfrise und Brilli im Ohr zum weihnachtlichen Familienabend mitgeschleppt. Warum der Vater das zimperlich zuließ und die beiden nicht gut britisch zusammen zimmerte, ist mir ein Rätsel. Die Stecher-Inder wirkten auch optisch genau wie Leute, die am Strand junge Touritöchter abgreifen, wenn der Vadder nicht hinguckt. Aber in dieser Kulisse waren sie aus ihrem Element: Überall schwer tätowierte und farbenblind gekleidete BritInnen beim Alkoholisieren, der schlechteste Sänger der Welt neben dem Tisch, da saßen sie in angespannter habacht-Stellung und wollten wohl nur noch weg. Aber sie hielten durch.

So auch wir! Auf dem Hinweg hatten ein paar Restaurantangestellte mit ihren Feuerwerksraketen fast das eigene Lokaldach aus Palmenblätterscheise abgefackelt, das war vielleicht ein Omen. Ein witziges Omen, weil alle plötzlich zum Knallen ihrer eigenen dummen Böller, die den Straßenverkehr minutenlang aufgehalten hatten, die Stützstangen hochkletterten, um das Feuer auszuschlagen.

Das Goa-Drumherum ist für geneigte Leser langweilig, es handelt sich nur um Variationen des schon aus Delhi und Jaipur Bekannten: Händler belästigen einen sehr offensiv, dafür mit einem "hello, FRIEND! how are you?" statt einfach "Yes, SIR! I have the same shirt, 100 rupees! Very cheap!", wobei das "friend" wohl die freundliche Lebensart im Süden ausdrücken soll. Statt Tuktuks gibt es Taxis, die aber meist rumstehen und auf Kundschaft warten. Es gibt ein klares Überangebot an Taxen, aber kein einzelner Fahrer ist bereit, darauf mit einer angemessenen Preissenkung zu reagieren. Alle können einem eine Liste von "fairen" Phantasiepreisen zeigen, die anscheinend dort unten vom Taxenkartell verteilt wird. Warum jemand lieber stundenlang dumm glotzend und ohne Arbeit in seinem Taxi rumsitzt anstatt mich zwei Minuten durch die Gegend zu fahren, weiß ich nicht.

Vor dem Rückflug bin ich mal wieder ausgerastet. Am Flughafen Goas drängelte sich die gleiche indische Familie mehrmals vor, erst beim Check-in, dann beim Boarding. Als wenn sie dadurch schneller in Delhi wären. Auf Beschwerde grinst der Familienvater nur dümmlich, bewegt sich aber keinen Zentimeter weg von seinem unverdienten Platz in der Reihe. Typisch halt.

Damit nicht genug: es gibt drei Gates für Abflüge und es steht nirgendwo, an welchem man sich zum Boarden anstellen soll. Von jedem Offiziellen wird man woanders hingeschickt. Dass das Boarden erst beginnt, als wir laut Ticket schon fast abgehoben sein sollten, kann man ja nicht wissen, weil es kein Lautsprecher durchsagt. Einen einzigen Fernseher in der Halle gibt es, der für jeden einzelnen Flug wenigstens die geplanten Abflugszeiten angibt. Die Info-Slides auf dem Schirm sind aber zur Hälfte unlesbar auf Hindi, dann geht es nochmal zur Hälfte um Arrival-Flüge, obwohl in der Departure-Halle angebracht. UND dauernd von minutenlangen Werbeblöcken unterbrochen.

Also ein Ausraster. Aber es wird weniger. Man gewöhnt sich an alles.

Für mehr Erzählung fehlt mir die Inspiration. Ich sitze inzwischen in Dehradun, suche mir gleich eine Bleibe.