Sonstige fun facts über das Hotel: Es hat die Hausnummer 13 (Oh nein!), liegt neben einer Moschee, die mich mehrmals am Tag per Gebets-Ausrufen beschallt und hat eine nette Betreiberfamilie. Der Opa macht im Sekundentakt "Hnnh!" Geräusche aus dem Rachen und spielt im Mund mit dem Gebiss. Frühmorgens latscht er rum und macht überall im Hotelhof das Licht aus, was mich schon mehrmals erschreckt hat. Man schläft unschuldig und plötzlich nähert sich jemand der Tür - schlurf, schlurf, hnnh!, hnnh!
Letztens hat die Familie das Lodhi-Fest mit ihren Gästen begangen, so eine Art Erntefest. Man stand um ein Lagerfeuer herum, wünschte sich Happy Lodhi und aß Erdnüsse und Popcorn. Der Hnnh!-Opa setzte sich an so ein Akkordeon-Klavier, der Vater hat dazu gesungen, die Mutter hat den Takt getrommelt und die Töchter mussten vortanzen. Inder tanzen und feiern witzig, ich kam mir als einziger Nichtinder ein wenig doof vor. Einmal erkannte ich ein Lied, es war ein Hit aus einem aktuellen Bollywood-Film.
In Doon gibt es weniger Bleichgesichter, weshalb ich noch mehr angestarrt werde als in Delhi. Da das hier eine der Bildungsmetropolen Indiens ist (500 High Schools laut Wikipedia - bei 500 000 Einwohnern), beherrschen je nach Tageszeit Kinder und Jugendliche in Schuluniformen das Stadtbild. Viele Mitbewohner in meinem Hotel sind ebenfalls Dauergäste, die hier studieren.
Mein Arbeitsplatz (ha!) liegt an der Rajpur Road, so eine Art Hauptstraße mit vielen Geschäften - unter anderem Gaylords Geschäft mit Samsung-Produkten, der mit seinem unironisch präsentierten Namenszug meinen juvenilen Humor anspricht. Ein paar Häuser von hier gibt es Kumars Sweets, meinen Lieblings Sweets Shop.

Natürlich hat der Shop zu Stoßzeiten zwölf Angestellte rumstehen, die hinter ca. zehn Theken eine große Auswahl selbst hergestellter Süßigkeiten verkaufen. Die höchste Zahl an Kunden, die ich dort gleichzeitig erlebt habe: 5. Und auch dann geht es langsam, da man nur bei einem der zwölf Angestellten bezahlen kann. Ich probiere mich mit der Zeit sehr unsystematisch durch das Angebot, heute habe ich 250g Jalebi gegessen, eine einzige Kalorienbombe. Wegen der Kommunikationsschwierigkeiten - ich spreche ja kein Hindi - ist die Portion etwas groß ausgefallen. Jalebi ist Teig, der erst in Fett fritiert und dann nochmal in Zuckersirup gebadet wird. Beißt man rein, schiesst einem der ganze Zuckersaft in den Mund.

Etwa sechs Kilometer von Doon entfernt fußt ein Berg, auf dem es einen spektakulären Wasserfall und ebenso sehenswerte Kloster zu bestaunen gibt. Außerdem kann man die Himalaya-Kette in der Ferne sehen. Angeblich. Um da hinaufzukommen, muss man über eine Stunde mit dem Bus Serpentinen hochfahren. Jetzt überlege ich, ob ich mir ein paar Plastiktüten einpacken und eine Fahrt riskieren soll, oder ob ich schlau und risiko-avers hier unten bleibe. Denn mir wird schon in harmlosen Bussen in Deutschland schlecht, die auf ebener Erde geradeaus fahren.
Wie lebt es sich hier so? So:
Gestern nacht hörte ich plötzlich Geräusche, sprang aus dem Bett und machte Licht an - eine Maus huschte an der Wand entlang! Eingangstür nach draussen aufgesperrt und wild im Zimmer rumgejagt, damit die rausläuft. Aber sie verzog sich ins Badezimmer. Von draussen hörte ich ab und zu Lachen, vielleicht sahen mich die Nachbarn durch die offene Tür in Unterwäsche durchs Zimmer hüpfen?
Na gut, ich sperrte das Badezimmer zu und die Maus damit ein, um mir in Ruhe zu überlegen, was ich mit der Situation Schlaues anstellen kann. Bis morgen warten und mit einem Hoteltypen zusammen jagen? Da huschte sie schon wieder an der Wand entlang! Ich stürzte auf den Boden und versuchte, sie unter Bett und Kleiderschrank zu erspähen, aber es gab nichts zu sehen? Mooooment, die ist doch eigentlich im Badezimmer gefangen? Doch im Badezimmer war keine Maus. Und auch kein Ausweg, ich ging die Wände einmal ab... kein Loch, keine Fluchtmöglichkeit. Und doch ist sie rausgekommen...
Da ich sie nicht mehr hörte, schloß ich die Wohnungstür und legte mich wieder hin. Anscheinend hatte sie die Flucht ergriffen, aber bestimmt die Tür geschmäht. Und sich teleportiert.
Hm, als ich mich letztens morgens schön auf den Weg zur Arbeit (ha!) mache, sehe ich gegenüber des Hotels erstmal zwei wilde Schweine in einem Müllhaufen wühlen. Pittoresk. Der morgendliche Verkehr hupt mich an, ich gehe ja auch ganz normal auf der Straße. Die Bürgersteige, so vorhanden, meidet man, weil sie (vermutlich durch den alljährlichen Monsun) so teilzerstört sind, dass man sich fast vom Hingucken die Knöchel bricht. Außerdem halten Inder ja gerne am Straßenrand an, um sich zu erleichtern. Und wo ist man der ganzen Pisse am nächsten? Auf den Bürgersteigen. Weil ich nicht von den plötzlichen Pissfahnen in gewisse Knöchelsituationen geschockt werden will, gehe ich also auf der Straße. Wie alle anderen auch.
Vor mir sehe ich einen Kleinlaster am Straßenrand stehen. Er versperrt mir natürlich den Weg, also weiche ich nicht etwa weiter auf die Fahrbahn zum Verkehr aus, sondern gehe entlang der Häuserwand vorbei. Hinter dem Laster gaffen etwa sechs Leute in meine Richtung. Normal, ich gehe am Laster vorbei, denke mir gerade was über gaffende Inder, als es hinter mir laut kracht. Ich sehe mich um: Auf der Pritsche des Kleinlasters steht ein Mann und lädt ab, d.h. er wirft achtlos schweren Sperrmüll zwischen Laster und Häuserfront. Oh, great, zwei Sekunden früher hätte mich das Brett dort am Kopf erwischt. Die gaffenden Leute hätten den Pritschenarbeiter oder mich ja mal warnen können?
Besonders stolz bin ich darauf, die Gasse des Todes entdeckt zu haben, die mir den Weg zur Arbeit deutlich verkürzt. In Deutschland würde man die wohl als Gehwehg bezeichnen, da sie ca. zwei Meter breit ist. Links und rechts Mauern, so dass man den Motorrad- und Mopedfahrern schlecht ausweichen kann, die dort hupend durchheizen. Aus dem Weg, Opa!, werden sie sich denken. Es ist halt eine beliebte Abkürzung. Besonders witzig, wenn es dunkel ist und ungefähr ein Drittel der Mopedfahrer ohne Licht einfahren. Die Gasse des Todes ist natürlich nicht beleuchtet und so ist es wohl Glückssache, ob man jemanden erwischt. Inder sind im allgemeinen Optimisten.



Soviel zu meinem neuen Wohnort, der mir bestimmt nicht so ans Herz wachsen wird wie Delhi. Demnächst kommt ein Post über Essen, glaube ich.
l8er, d00dz...