Dienstag, 28. April 2009

Der erste Regen

Gestern hat es geregnet! Endlich! Hurra!

Die Freude über Regen erklärt sich aus der vielen Hitze. Um das ein wenig zu illustrieren – auch wenn es nicht schön wird: Nachts, wenn es auf „angenehme“ 27 Grad abkühlt, wird trotzdem der Ventilator angeschmissen, um ungestörter schlafen zu können. Die Klimaanlage bleibt wegen des hohen Stromverbrauchs aus. Die Decke, ein Bettlaken, liegt nur alibihalber im Bett. Trotzdem ist es warm, zu warm. Idealerweise werden alle Gliedmaßen lang ausgestreckt, denn in Kniekehlen und Ellenbogenbeugen sammeln sich unangenehme Schweißteiche. Wenn der Ventilator wegen Stromausfall nicht mehr rattert, ist es unerträglich und das Kissen wird peinlich nass. Tagsüber läuft sowieso immer alles. Anfangs sträubte ich mich noch dagegen, morgens und abends zu duschen. Mittlerweile sehe ich aber ein, dass ein für den Moment schweißfreier Körper besser schläft. Die notwendige Abkühlung hält auch nicht lange an, denn die Kleidung ist immer noch warm. Ich träume von einem gekühlten Kleiderschrank, verwerfe die Idee aber ob der anklagenden Dekadenz sogleich.

Aber es ist ja auch Trockenzeit. Die geht so bis Ende April, danach kommt die Regenzeit, mit Regen und Abkühlung. Seit meiner Ankunft wird das erhoffte Nass immer wieder hinausgeschoben. Die letzte Schätzung belief sich auf Mitte Juni, uiuiui.

Es ist also heiß. Und das geht nicht nur mir so, sondern auch den Burkinabé. Die sind übrigens ganz schön quengelig: tagsüber ist es zu warm, nachts zu kalt; dann tragen sie dicke Wollmützen.

Gestern Vormittag war es drückend heiß, richtig schwül. Der Himmel war bedeckt, die Sonne knallte gar nicht wie üblich, aber es war warm, unangenehm warm. Mittags gingen Anna und ich um die Ecke was essen. Beim Anstehen beobachteten wir die um uns stehenden Burkinabé, denen der Schweiß ebenso in kleinen Rinnsälen am Körper herunterlief. Beim Essen wurde es noch schlimmer, jaja, „wer beim Essen nicht schwitzt, ist nicht gesund“, und so. Dennoch äußerst unangenehm, wenn ein dicker Schweißtropfen von der Stirn über die Nase läuft.

Und dann plötzlich vernahmen wir leise Tropfgeräusche, diesmal nicht vom Körperschweiß, sondern draußen: Ohja, es regnete. Erstmal nur ein bisschen. Dann wurde es doller. Der Wind wehte, richtig angenehm, weil kühlend. Zuhause haben wir erstmal alle Fenster aufgerissen, um das Haus durchzulüften. Nach einer kurzen Pause, fing es dann so richtig an. Dunkler Himmel, böser Wind, lautes Regenprasseln und Pfützen.

Danach war es angenehm, immer noch warm, aber nicht so schrecklich klebrig. (Pullover?! Wie drollig. Beim Packen für einen Tagesausflug dachte ich kurz an einen Pullover, entsann mich dann aber dem Klima und schüttelte lachend den Kopf.) Gestern Abend traf ich mich noch auf zwei Bier mit Dobila, dem Wachmann vom Bankautomaten. Und tatsächlich musste ich zum zweiten Mal seit meiner Ankunft eine öffentliche Toilette aufsuchen: Ich hatte nicht sofort wieder alles transpiriert. (Angesichts der Toilettenqualität doch lieber Hitze, bitte.)

Heute ist es wieder warm, die Sonne brutzelt, alles wie immer: Schweiß.

Dienstag, 21. April 2009

„Nassara! Nassara!“

Um das gleich mal festzuhalten: Ich bin Nassara. Und ihr alle auch, glaube ich. Das war eine der ersten Lektionen hier in Ouaga. „Nassara“ ist nämlich Mooré, die Sprache der Mossi, der größten Ethnie in Burkina Faso, die in und um Ouaga lebt. Und „Nassara“ bedeutet „weißer Mensch“. Also rufen die Burkinabé den weißen Menschen „Nassara“ zu und hinterher. Und das ist nicht mal abwertend gemeint – glaube ich. Dieser Begriff ist so geläufig, dass selbst die kleinsten Kinder, die sonst noch nicht viel sagen können, so doch wenigstens ein entdeckendes „Nassara“ rufen. Manche Kinder ängstigt der Anblick des weißen Menschen dann auch. Denn vergleichbar etwa dem deutschen „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ gibt es hier Drohgeschichten vom Schlage „… dann holt dich Nassara“. Die etwas aufgeklärteren oder aber mutigeren Kinder entdecken die weißen Menschen schon in der Ferne und kommen in großer Schar angerannt, um die ausgestreckte Hand hoffnungsfroh entgegenzuhalten. Dann schüttelt Nassara freundlich die verklebten Kinderhände, schaut in schüchterne Gesichter und dann den jubelnden Kindern hinterher. Neben „Nassara“ entwischt den spielenden Kindern aber auch ein überraschtes „la Blanche“ (die Weiße).

Während das für die Kinder ein großer Spaß ist, gilt den erwachsenen Burkinabé „Nassara“ als Begrüßungsfloskel: Wenn ich ein „Nassara“ hinter mir höre, bin ich gemeint und drehe ich mich um. Dann winke ich energisch oder halte den Standard-Smalltalk ab: „Bonjour. – Ca va? – Bonne journée.“ (Guten Tag. – Wie geht’s? – Schönen Tag noch. Oder ab 14 Uhr das gleiche mit „Bonsoir“ (Guten Abend).) Entweder sie erhoffen sich den Verkauf ihrer Produkte zu horrenden (ja, weil eben Nassara-) Preisen oder aber sie fragen ganz ungeniert, ob eine Hochzeit drin wäre, wenigstens aber eine Reise ins ferne Europa. Nachdem ich anfänglich noch sehr unbeholfen die Avancen freundlich abzulehnen versuchte, weiß ich nun um den burkinischen Humor, gerade gegenüber Nassara. Also stimme ich fröhlich lachend in das Heiratsangebot an, reiche zum Abschied die Hand und gehe lachend hinfort. Manchmal geht es aber doch nicht so lapidar. Denn die zweite wichtige Vokabel, die ich hier lernte ist dann auch französisch: accompagner – also begleiten. Habe ich endlich deutlich zu verstehen gegeben, dass ich ausgerechnet jetzt in diesem Moment, ach wie schade, mal keine Zeit habe, dann ist das auch kein Problem, „ich kann dich begleiten“. Oftmals wollen die Menschen aber auch einfach nur kennenlernen und ein wenig plaudern. Denn die dritte Lektion lautete: causer – plaudern.

Weil ich weder mit Moped noch mit Fahrrad meine Erledigungen mache, sondern immer noch schön zu Fuß, ich also nicht schnell davonbrausen kann, kalkuliere ich für den kurzen Weg zum Bäcker schon mal mehrere Stunden ein. Ein kleiner Einblick:

Direkt gegenüber von unserer „Villa“ steht Dianes Bretterverschlag, in unserem WG-Jargon jetzt „Kiste“ getauft. Dort steht mindestens Sere und erwartet wiederum mindestens ein engagiertes Winken mit „Bonjour. Ca va?“-Rufen. Mit Zeit und Muße ist schon mal ein Tee mit causer drin. Etwa zehn Meter weiter hat Wassa seine Kiste mit all den wichtigen Dingen fürs Leben eingerichtet: Waschmittel, Instant-Kaffee („Nescafé“-Monopol), Öl, Bonbons und natürlich causer. Nun kann ich entweder nach links zu Jabhet, dem Student der Wirtschaftswissenschaften, abbiegen oder geradeaus auf die Karten spielende Männerrunde zusteuern. Ich habe schätzungsweise hundert Meter und eine Stunde geschafft. Jetzt kann ich ein wenig Weg zurücklegen, nur noch kurze Grußfloskeln. Spätestens bei „Américain“, dem Hosenverkäufer, bleibe ich wieder für ein längeres Pläuschchen. Und schließlich, nach zwei Stunden, gelange ich zur Bäckerei. Für den Heimweg wähle ich eine andere Route, hihi. Mittlerweile kenne ich die kleinen Querpisten (noch) ohne feste causer-Institution.

Weil die Namen zu Beginn nur so auf mich einprasselten, ich aber beim garantiert näxten causer nicht der Peinlichkeit des Namenvergessens begegnen wollte, trage ich alle neuen Bekanntschaften möglichst zeitnah in mein Notizbüchlein ein; mit charakteristischem Wiedererkennungsmerkmal. Dann lunsch ich noch mal schnell auf den Namensspickzettel, bevor ich um die Ecke biege.

Das klingt alles sehr nach Urlaub. Ohja. Aber bedenkt: Das alles auf französisch. Ohlàlà. Einen besseren Französisch-Kurs gibt es nicht, inklusive ethnologischer Feldforschung.