Freitag, 17. Juli 2009

Wie esse ich eine Mango?

Es gab da mal vor etlichen Jahren den aberwitzigen Trend viel zu langer Massen-mehls mit viel zu persönlichen Fragen. Eine Frage behandelte das Essverhalten ei-nes oder einer Hanuta; diese kleine Waffeltäfelchen mit dazwischen gequetschter Schokocreme. Die Beschreibungen dessen wurden in ihrer Ausführlich- aber auch Absonderlichkeit immer wieder gern übertroffen. In Erinnerung an diese Frage, aber auch im Bewusstsein der Relevanz dieser Frage beantworte ich heute die burkini-sche Variante, nämlich wie sich so eine Mango essen lässt.
Zuerst einmal muss die Mango erworben werden. Idealerweise bei der Obstfrau des Vertrauens, die in ihrer blauen Kiste hübsch drapierte Früchte anpreist. Denn für den regelmäßigen und ausschließlichen Konsum bei ihr tütet sie in sprachloser Großzü-gigkeit immer auch ein „Geschenk“ ein, also eine Mango oder eine Banane für um-sonst. Das ist das burkinische Pendant zur nervigen Fragen an der Supermarkt-Kasse: „Haben Sie schon eine Kundenkarte?“ Alternativ eben Fremdeinkaufen bei den vielen Kopfschüsseln und Wackeltischen, wo die Mangos immer in kleinen Py-ramiden-Einheiten aufgetürmt werden.
Ganz wichtig zur Rechtfertigung vorweg: Die hiesigen Mangos gibt es in den ver-schiedensten Größen, Farben und Geschmäckern, aber immer lecker. Ganz viel le-ckerer als die unreif importierten in Deutschland. Und deswegen auch immer ordent-lich saftig. Für den Genuss ganz delikat, für den Verzehr allerdings sehr anstren-gend. (Und das ist dann auch der Grund, warum dieser Eintrag als klar burkinisches Erlebnis bewertet werden darf und hier seinen Platz findet.) Nun, ich möchte drei Va-riationen vorstellen:
1: Links und rechts am flachen Kern vorbei schneiden, so dass zwei Mangohälften und der mittlere Kernteil entstehen. Das Mangofleisch der zwei Hälften mit einem Messer in kleine Würfel anschneiden. Die perforierten Mango-Quader durch das Um-stülpen der Mangohälfte von der Schale abnagen.
2: Nach derselben Zubereitung wie oben die beiden Mangohälften mit einem Löffel mundgerecht ausschälen.
Bei beiden Varianten bleibt der Kern und um ihn herum noch leckeres Mangofleisch. Da hilft es dann nix: Der Kern muss unter viel Körpereinsatz geradezu abgelutscht werden. Die kleinen Kern-Fädchen sammeln sich gern zwischen den Zähnen und bleiben da eine Weile. Dauernd pult sich jemand im Mundraum herum.
3: Die Mango schälen und in kleinen Stückchen direkt abschneiden und essfertig in den Mund schieben. Und weil das die – ich sag das jetzt mal so – körperbetonteste Variante ist, der Mangosaft sich den Weg über die Unterarme bis zu den Ellenbo-genbeugen bahnt, soll es angeblich auch Menschen geben, die sich zum Mangoes-sen in die Badewanne zurückziehen. Nach getaner Essarbeit können die Mangoreste unkompliziert abgebraust werden. Das Küchenmesser im Badezimmer verwundert dann nicht mehr.
Die burkinischen Menschen haben da in jahrelanger Übung, so beneide ich, irgend-wie noch eine ganz andere Manier entwickelt: Einfach essen wie es kommt. Und das wirkt bei weitem nicht so angestrengt wie in unserer Nassara-WG.

Freitag, 10. Juli 2009

Aus dem Leben einer burkinischen Plastiktüte

Plastiktüten sind hier essentiell. Ohne sie geht nix. Es gibt sie in den Farben schwarz, weiß und blau und in den Größen klein, mittel und groß. Immer neutral, ohne Aufschrift.

Im Lebensmittelgeschäft werden die Produkte ihrer Größe und Zerbrechlichkeit entsprechend verpackt: Der Joghurt kommt in ein kleines, schwarzes Tütchen; das Toilettenpapier in eine große, blaue Tüte. Die Obstfrau tütet die Früchte in einen stabilen, schwarzen Plastiksack. Wer nicht direkt bei Tanti essen will, bekommt die Essensportion in eine mittelgroße, schwarze Tüte verpackt. Einmal schütteln, gut durchmischt und essfertig für den heimischen Teller. Zucker und Mehl werden in Plastikbeuteln verpackt nach Hause getragen.

Ganz kleine, transparente Tütchen werden mit den verschiedenen Getränken befüllt. Einfach nur Wasser oder Bissap und Hirse-Saft oder auch Joghurt und das joghurtähnliche Degûe. Zur Konsumation wird eine Ecke abgebissen und der Inhalt in den Mund gedrückt. So hängt dann auch das Plastiktütchen im Mundwinkel, wenn die Hände gerade mit anderen Dingen beschäftig sind. Und wenn die Tüte nicht mehr gebraucht wird, fällt sie eben runter.

Entsprechend sieht das Stadtbild aus. Die Pisten sind übersäht mit zumeist schwarzen Plastikflecken, dazwischen die ein-meter-breite Fahrbahn für die Motos. Bei Sturm fliegen die Tüten friedlich durch die Stadt, um danach verfangen im Geäst eines Baumes zu rascheln. Die städtischen Mülleimer sind rar und meistens leer.

Donnerstag, 9. Juli 2009

Unsere kleine Farm

In unserem Garten ist immer so einiges los.
Tagsüber, wenn die Sonne scheint, tummeln sich Vögel und Echsen. Die Vögel sind ganz klitzeklein, etwa von der Größe einer deutschen Blaumeise, aber ganz viel far-benfroher. Meistens einfarbig, dafür aber total intensiv: tief blau und leuchtend rot. Und die fliegen dann hier rum, haschen sich, zwitschern im Baum. Daneben gibt es auch Tauben. Die sind aber nicht so hässlich groß und fett wie die deutschen. Nee, die sind kleiner und schlanker, haben überhaupt einen Hals. Auch sind sie nicht dre-ckig grau, sondern elegant bordeaux-rot.
Die Echsen heißen zumindest lautschriftlich „Margujah“. Die Männchen haben ge-fährlich aussehende Köpfe und Schwanzspitzen in rot-orange und messen bestimmt dreißig Zentimeter. Die Weibchen sind ein bisschen kleiner, eher langweilig erdfar-ben, manchmal mit schicken roten Streifen an der Bauchseite. Diese Tierchen wet-zen durch den Garten und hangeln, der Gravitation trotzend, überall entlang. Kopf-über sitzen sie dann an der Häuserwand und machen dabei ihre achso drolligen Be-wegungen: kleine Liegestütze nämlich, oder aber sie headbangen zur wahrscheinlich bösen Rockmusik im Kopf. Vor ein paar Wochen war große Paarungszeit, die Männ-chen saßen sich mit im 45-Grad-Winkel nach oben gestreckten Schwanz gegenüber und gingen manchmal aufeinander los. Oder aber sie liefen den sich versteckenden Weibchen hinterher, die dann immer einen komischen Buckelrücken machten.
Wenn es dunkel wird kommen mit der Nachtschicht die Geckos. Mit ihren großen Glubschaugen und ihren Saugnapffüßchen tummeln sie sich und schnappen nach Insekten. Während die Margujahs das Menschendomizil respektieren, huschen die Geckos schon mal ins Haus. Da passiert es dann, dass in der Zwei-Sekunden-Pause zwischen Lichtschalter-an und Licht-an ein ängstlich-verwirrter Gekko über den Fuß flieht. Und überall hinterlassen sie ihre kleinen Kackaköttel. Darum vermute ich, dass auch in meinem Kleiderschrank einer wohnt.
Und dann laufen auch immer Hunde und Katzen in der Stadt herum. Aber anders als in Deutschland. Die Hunde haben nur ganz selten einen festen Wohnsitz. Was daran kenntlich wird, dass sie dick sind und ein besitzanzeigendes Halsband tragen. Die mageren und irgendwie immer verwundeten Straßenhunde tummeln sich nach Nachteinbruch zu kleinen Rudeln, lümmeln gefährlich auf den Pisten rum und wetzen herum. Aber ganz harmlos. Von den Menschen werden sie ignoriert. Ganz witzig: Die Hunde sehen irgendwie alle gleich aus. Durchschnittlich groß, mittelbraun, keinerlei Zuchtbemühung eben. Eine Zeitlang kehrten spät abends immer mehrere Katzen bei uns ein. Eine junge und sehr schöne Katze haben wir mit ein wenig Milch angefüttert, so dass sie regelmäßig zu uns kam und auf dem Gartenweg herumlümmelte, aber seit dem Huhn kommt sie immer seltener. Früher noch marschierten die beiden durchaus in friedlicher Koexistenz im Garten auf und ab.
Apropos Huhn, immer und immer wieder, weil es bei dem breiten Lesepublikum doch auf reichlich Interesse stößt. Große Sensation: Es ist ein Hahn! Wer hätte das ge-dacht?! Nach einer Woche gab das Huhn abgebrochene Kräh-Laute von sich – und weckte die überraschten mitwohnenden Menschen. Bei genauerer Betrachtung fiel dann auch der etwas zu große rote Kamm auf dem Kopf auf; ist eben ein Hahnen-kamm. Die jeweils fünften Kampfkrallen an den Versen sind schon als kleine Pömpel erkennbar. Zwischenzeitlich hatten wir plötzlich zwei Hähne. Eines Morgens nämlich kam ein schon stolz ausgewachsener Nachbarhahn über die Mauer geflogen. Ich interpretiere das als kurzfristige Nachhilfe zum Leben eines angesehenen Hahnes. Die beiden kämpften manchmal ein bisschen miteinander, der große Hahn unterrich-tete den Sprössling in Respekt zollendem Scharren und immer wieder ein lautes kla-res Krähen. Und nach zwei Tagen war der große Hahn wieder verschwunden. Wir lernten daraus und stutzten unserem Hahn die Flugfedern. Und letzten Samstag kauften wir unserem Hahn, der nun die Pubertät mit all den unangenehmen Dingen wie Stimmbruch überstanden hat, ein schönes Huhn. Noch am gleichen Tag wusste er, was zu tun war. Harhar. Am nächsten Tag schon, so meine ich beobachten zu können, waren der Hahnenkamm und die Kinnlappen noch ein Stückchen gewach-sen. Die schlackern jetzt herum, wenn er mit seinem Köpfchen nickt. Nun stolzieren die beiden in trauter Zweisamkeit elegant über den Hof, recken hier und da balleri-nengleich das Beinchen und lassen ihre Köpfchen beim nächtlichen Schlaf neben-einander auf dem Ast lustig runterbaumeln. Dem Huhn werden wir ein kleines gemüt-liches Eierlege-Heim einrichten. Und dann geht es los, mit unserer kleinen Hühner-farm.