Freitag, 14. August 2009

Und täglich grüßt die burkinische Höflichkeit

Dass hierzulande zum obligatorischen „GutenTag“ beziehungsweise „Guten Abend“ immer auch ein „Wie geht’s?“ über die Piste gerufen wird, habe ich schon berichtet. Wenn nun aber die Unterhaltung etwas körpernäher oder zwischen zwei sich kennenden Menschen fortgeführt wird, gestaltet sich die Begrüßung etwas ausführlicher, so möchte ich es mal nennen.

Der erste Schritt jeder Begrüßung ist immer der Handschlag, aber ein ganz lascher, überhaupt nicht feste. Bei jüngeren Menschen endet der Handschlag im gegenseitigen Schnippen der Mittelfinger durch den eigenen Daumen. (Äääm, verstanden?) Das funktioniert aber nur mit ordentlich Druck dabei, weswegen das „claqué“ bei mir aus Angst vor Verletzungen oftmals lautlos verpufft. Pardon, hihi. Ist die rechte Hand gerade nicht schüttelfrei, wird ersatzweise das hingehaltene Handgelenk umgriffen. Bei deutlich älteren Menschen oder Respektpersonen wird freilich niemals geschnippt. Stattdessen führt der respektzollende Part die linke Hand zum Ellenbogen der rechten schüttelnden Hand. Und dabei gerne mal knicksen oder den Kopf huldigend neigend.

Parade-Beispielhaft schreibe ich den gesprochenen Teil einer solchen Begrüßungsunterredung zwischen Anna und ihrem Brouchetten-Grillmeister nieder:

„Aaaaanna! Guten Abend, wie geht’s?“

„Guten Abend. Ja, es geht gut. Und selbst?“

„Ja. Läuft. Und die Gesundheit?“

„Kein Problem.“

„Und die Familie?“

„Ja, es geht ihnen gut.“

„Und die Arbeit?“

„Sehr gut.“

Kurze Pause. Jetzt nachdrücklicher.

„Und Anna. Wie geht’s?!“

Das sind die drei großen Fragenblöcke: Gesundheit, Familie, Arbeit. Die können sprachlich variieren. Und je nachdem wie der andere Mensch über das eigene Leben informiert ist, können die Fragen etwas präziser formuliert werden.

Das erscheint jetzt schon etwas umfangreich. Im Vergleich zum dörflichen Begrüßungsmarathon ist aber die städtische Begrüßungsfloskelei eine Unverschämtheit sondergleichen. Auf dem Dorf geht das nämlich so:

Die zwei Menschen ergreifen die rechte Hand des anderen und verharren erstmal genauso bis das Updaten abgeschlossen ist. Zunächst fragt nur der eine Mensch, der andere antwortet. Und jedes Mal, wenn ein neues „ja, gut“ erwidert wird, wird der Händedruck wieder etwas stärker. Oftmals wird der Fragekatalog aber nicht sofort nach der ersten Begrüßung abgehandelt, sondern auch gerne mal in einer kurzen Konservationspause nach fünf Minuten eingeschoben. Dann wird weitergeredet und nach weiterer Plauderei fragt der vorher antwortende Mensch aus, und wieder wird die Hand ergriffen, ab und zu etwas fester zugedrückt.

Nun wird bei dieser Begrüßungshöflichkeit keineswegs die Wahrheit berichtet. Ähnlich dem deutschen Smalltalk, der ja auch nach ganz strengen Regeln funktioniert, wird hier niemand ausführlich berichten, wo es gerade piekt und drückt. Eine Wahrhaftigkeit kann hier aber doch versteckt kommuniziert werden: Wenn nämlich jemand dreimal hintereinander mit „kein Problem“ antwortet, hat dieser Mensch ganz sicherlich ein großes Problem, ohja. Der ganze Fragekatalog dient also eigentlich nur der eben so schön eingerichteten Höflichkeitstradition. So wird eben auch beim Straßenstand nicht sofort die Bestellung herausgepoltert, sondern wenigstens ein artiges „Es geht Ihnen gut?“ dazwischengeschoben. Und kurioserweise, so konnte ich heimlich kichernd beobachten, äußert sich die zumindest inhaltliche Oberflächlichkeit dieses Abfragens dann auch in der Gestik: Der eine Mensch schaut dann schon mal desinteressiert in den Himmel oder popelt sich wahlweise im Ohr.

1 Kommentar:

carmen hat gesagt…

Hach wie schön. Ab sofort werden hier auch blumige, langatmige und nicht ernst gemeinte Begrüßungsfloskeln etabliert! Das ist viel besser, als das schreckliche "Na?" Das ist keine Frage und funktioniert nur im Kontext, nie aber als Beginn einer Konversation!