Nach all der Wasser-Aufregung der letzten Wochen heute ein ganz trivialer Beitrag zu unserem Hühnerhof. Denn dieser scheint dem fernen Lese-Publikum noch am interessantesten. Wahrscheinlich weil dieser ach so afrikanische Alltag zu weit weg ist, um ihn nachvollziehen können, und weil die Aufzucht von Hühnern eben nicht so alltäglich ist, ein wenig spektakulär, aber wenigstens so viel Halbwissen vorhanden ist, um interessierte Nachfragen stellen zu können.
Beim letzten Hühner-Bericht waren es noch zwei: ein Hahn und ein Huhn. Allen Regeln des guten Spannungsaufbaus zum Trotze gebe ich hier und sofort die aktuelle Hühner-Zahl preis; Obacht nun: Sechzehn! Hoho. Ja, da ist so einiges passiert.
Zum einen war ich mal wieder im afrikanischen Hinterland und bekam im selben Dorf abermals ein Huhn geschenkt; diesmal ein wirkliches Huhn und keines, welches sich nach zwei Wochen krähenderweise als Hahn entpuppt. Während ich dieses Huhn geschenkt bekam (zur besseren Zuordnung nehme ich mal eine Huhn-Nummerierung vor, also „HuhnZwei“), und das in Ouaga gekaufte Huhn (analog also „HuhnEins“) bereits fleißig Eier legte, die wir zunächst noch in aufgeregter Freude über den Farm-Erfolg als Spiegeleier verspeisten, uns dann aber der Kritik der Nachbarn annahmen und die Eier nicht mehr einsammelten, begann also HuhnEins zu brüten. Nach drei Wochen wackelten fünf Flauschebälle durch den Garten. Von diesen fünfen sind mittlerweile aber nur noch drei geblieben. Ja, so ist das. Ist aber auch nicht soooho wild, sag ich mal ganz ökonomisch, denn seit einigen Tagen sind die Küken von HuhnZwei da. Sieben Küken. Ach, und sind die wieder putzig. Ganz flauschig und klein. Kein Hals, keine Kniegelenke. Das Kleinste muss nach vier Schritten immer anhalten, um durchzuatmen. Und wie auch zu Beginn bei HuhnEins scheint es HuhnZwei ebenfalls an der mütterlichen Umsicht zu fehlen. So scharrt es dann mal aufgeregt im Unkraut herum und kickt dabei eines ihrer Küken weg, weil die sich ja immer lästig in der Beingegend aufhalten. Das Küken aber rappelt sich purzelbaumschlagend schnell auf und wetzt sofort zum fußballgefährlichen Mutterfuß zurück. Vielleicht ist das auch nur die harte Küken-Schule, hier wird niemand verwöhnt.
Jetzt sind wir bei 13: sieben ganz kleine, drei große Küken, zwei Hühner und ein Hahn. Die Tierärztin, die wir auch schon mal engagierten, um dem weiteren Küken-Tod vorzubeugen, sprach von einem optimalen Hahn-Hühner-Verhältnis von eins zu zehn. Beim zweiten Besuch der Familie eines Nachbarn auf dem Lande bekam ich mal wieder ein Huhn geschenkt. Also sind wir schon bei eins zu drei; immer noch nicht gebührend, aber steigerungsfähig. Aaaber, aber: Im Zuge des Jahrhundertsregens verlor nämlich unser lieber Wachmann sein Haus und quartierte deswegen seine zwei Hähne bei uns ein. (Und das ist wirklich, wie ich mir stolz auf die eigene Schulter klopfend einreden möchte, ein Lob für unseren kleinen Hühnerhof.) Quantitatives Update also: drei Hähne und drei Hühner, so total ausgeglichen, so überhaupt nicht genügend für einen stolzen Hahn.
Unser Hahn hat aber die absolute Hühner-Hoheit und die beiden Gast-Hähne haben so gar nix zu sagen. Sie hängen merkwürdigerweise immer zusammen rum, schlafen auf einem Ast dicht nebeneinander, ruhen in der Mittagshitze aneinandergekuschelt im schattigen Sand. Und sie werden von allen verjagt. Selbst von den Hühnern. So konnte ich auch eine klare Essenshierarchie beobachten: Zunächst die von Andrea so ganz passend bezeichnete „Königsfamilie“, also unser Hahn, HuhnEins und deren Kinder, wobei alle anderen die spontanen Hackattacken des Hahnes fürchten. Wenn HuhnEins mit Kindern satt sind, kommt HuhnZwei, die aber die Gast-Hähne immer schon weggackert, wenn diese mal wieder einen schleichenden Annäherungsversuch starten. Genauso wird HuhnDrei verjagt. Wenn HuhnZwei dann auch gesättigt die Essensreste zurücklässt, dürfen die anderen drei. Die Essenhierarchie richtet sich also nach der Chronologie des Hofaufenthaltes. Und: Der Hahn speist generell mit allen Hühnern gern, wenn sie ihm nur genügend Freiraum lassen.
Also spielt sich unser Hahn als Hofältester und Hühner-Macho auf. Und das nervt. Der macht nämlich immer Krach, kräht blöde rum. Ja nun, könnte die wohlwollende Antwort beginnen, das haben Hähne so an sich, aber, entgegne ich berechtigt, doch nicht ab halb zwei Uhr morgens im strikt eingehaltenen Stunden-Takt. Und den Tag über natürlich auch ständig und überall. Ich möchte ihm wirklich mutwillige Böswilligkeit unterstellen. Gewöhnlich hält er sich zur frühmorgendlichen Kräh-Nerverei vor Annas Zimmer auf. Nun war Anna kürzlich verreist und als wüsste der Hahn, dass auf dieser Haushälfte niemand aufzuwecken wäre, stolzierte er nun vor meinem Zimmer auf und ab. Im Halbschlaf gefühlt alle fünf Sekunden wild gackernd. Zunächst vermutete ich eines der Hühner. Malte mir, ich hatte ja nun ausreichend Zeit, an Schlaf war nicht zu denken, die abenteuerlichsten Eventualitäten aus. Denn das Gackern distanzierte sich langsam, wurde aufgeregter und lauter bis es schließlich schlagartig aufhörte, aber nicht ohne vorher noch wild mit den Flügeln zu knattern. Ich dachte nun ängstlich an das plötzlich aufgekündigte Freundschaftsverhältnis zwischen Hühnern und Katze. Oder daran gar, dass eine Hühner-Mutter den Verlust eines Kükens schmerzlich beklagt. Als das blöde Gegacker eben nicht aufhören wollte, ging ich dem ganzen nach: Der Nerv-Gockel war’s. Wie immer. Und nix war. Er stolperte blöde über den Hof, mal stoppend und hässlich mit dem Kopf und dranhängenden Kopf- und Kinnlappen schlackernd. Einfach nur so. Weil er blöde ist.
Und weil Anna und Thomas morgens gerne mal mit einer äußerst überzeugten Schlachtempfehlung für den Hahn in den Tag starten und wir ja nun schon zum zweiten Mal Küken haben, steht der Plan jetzt fest: Der Hahn wird geschlachtet. Und dazu HuhnEins, denn ihre Küken sind mittlerweile flügge. Die Küken werden allesamt, soweit sie denn überleben, höhö, verschenkt. Die Gast-Hähne werden bald nach Hause geschickt. Und so bleiben noch HuhnZwei und HuhnDrei, ganz friedlich, die für frische Bio-Öko-Freiland-Eier sorgen.
Um schließlich noch eine der Fragen aufzuwerfen, die uns, die wir so ganz und gar nicht hühner-erfahren sind, immer alles umsorgt-belustigt ausprobieren, so beschäftigen: Was ist eigentlich ein Huhn? Ist das der Überbegriff des Federtieres? Wie etwa auch das Tier aus der Ferne in Ermangelung der genauen Geschlechtsbestimmung erstmal „Katze“ heißt und später vielleicht zum „Kater“ wird oder eben doch „Katze“ bleibt? Oder ist „Huhn“ schon die weibliche Bezeichnung des Federtieres? Und „Hahn“ dann die männliche? Oder beschreibt doch eher „Henne“ das weibliche Geschlecht? Wenn ja, was ist dann eine „Glucke“? Die brütende beziehungsweise aufziehende Henne, oder eben: das brütende beziehungsweise aufziehende Huhn? Und was wiederum ist ein „Gockel“, im Unterschied zu einem „Hahn“?