Freitag, 4. September 2009

Der Regen des 1. September

Nachdem der Beginn der Regenzeit immer wieder durch neue Prognosen verscho-ben wurde, begann sie dann doch so etwa Anfang Juli – und mit ihr die ersehnte Ab-kühlung. Also regnete es durchschnittlich alle drei Tage, mal als halbstündiger Gewit-terguss, mal als grauer Nieseltag. Die Temperaturen sanken durchaus auf 25 Grad, so dass der Pullover manches Mal unabdingbar war. Diese Regenzeit dauerte etwa zwei Monate an; im September, so hieß es, würde es weniger oft regnen, dafür dann aber richtig doll.
Diese Prognose bestätigte sich nun just am 1. September auf besonders böse Wei-se. Morgens um fünf begann es zu regnen und dauerte lange zehn Stunden an. Aber eben kein leichter Nieselregen, sondern beinahe die gesamte Zeit kräftig prasselnd. In dieser Form zum ersten Mal in der burkinischen Wetterchronologie erlebt und deswegen mit fatalen Folgen. Ganz besonders für das Viertel, in dem auch ich woh-ne, denn Dapoya liegt in einer Art Kessel in Ouaga. Also sammelte sich hier erstens das Wasser der Stadt und zweitens schwappte das Wasser aus den Barrages über, so einer Art Staudamm mit meerähnlicher Atmosphäre, die sich direkt im Norden an Dapoya anschließen. Das Wasser stieg. Auf dem Weg vor unserem Haus ging das Wasser aufgrund eine kleinen Senke in der Wegesmitte bis zum Bauchnabel; ab und zu schwappte das Wasser über unsere Garagenschwelle. Auf den Pisten hinter un-serem Haus ging das Wasser bis zum Hals.
Das Wasser an sich ist schon schlimm genug. Es dringt in Häuser ein und hinterlässt schmutziges Chaos. Während des Regens verließen die Menschen ihre Häuser und sammelten sich teilweise erstmal in unserer Garage, weil sie hier das katastrophale Treiben regengeschützt beobachten konnten. Nun ist aber die Bauweise besonders alter Häuser nicht mehr sonderlich robust, so dass das viele Wasser den Mörtel po-rös werden lässt; die Mauern werden zu einer keksigen Masse, wie es ein Nachbar bildlich beschrieb. Also fielen hier und da immer wieder Häuser ein oder eine Wand kippte in den Pistenfluss. Wenn es in der Umgebung mal wieder laut krachte, konn-ten die Menschen nur erahnen, ob das gerade ihr eigenes Haus war. Trotz der ge-fährlichen Strömung und der Ungewissheit, was sich da in der braunen Wasserbrühe so alles sammelt, wateten sie zu ihren Häusern und brachten Elektrogeräte und Mo-torräder in Sicherheit – vor dem Wasser, aber auch vor Dieben.
Viele Menschen verloren ihre Häuser. Wenn sie es nicht mehr schafften, ihr Hab und Gut vorher irgendwie zu sichern und woanders unterzustellen, ist es meistens im Schlamm verschollen oder weggespült worden oder einfach nur kaputt. Manchmal konnten noch am nächsten Tag, denn der Wasserspiegel sank dann doch überra-schend schnell, Möbel herausgezogen, wichtige Dokumente zusammengesammelt werden. Andere hatten weniger Unglücksglück und verloren alles.
Überall in Dapoya präsentieren sich nun Trümmerhaufen mit dazwischen verteilten Habseligkeiten. Immer wieder fallen klaffende Lücken in der Häuserfront auf. Auf noch stehenden Mauern und zusammengefallenen Ruinen trocknen über weite Stre-cken hinweg Kleidungsstücke. Manche Wege sind bis heute nicht passierbar, weil so viel Zeug herumliegt und weil sich dort das Wasser immer noch zu kleinen Seen sammelt.
Aber die burkinischen Menschen gehen überraschend gelassen mit dieser Situation um. Mit gewohntem Realismus sitzen sie auf den Resten ihres Hauses, waschen Wäsche, suchen, was zu retten ist, um sich irgendwie neu einzurichten.

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