Freitag, 11. September 2009

Die Folgen des Regens

Letzte Woche berichtete ich noch recht oberflächlich von der Situation in Ouaga nach der Regen-Flut. Um den eher lockeren Stil des hiesigen Unterfangens fortzuführen und auch um nicht über die mitleiderrgende Strenge zu schlagen. Mittlerweile aber bin ich im überrumpelten Bilde über die Auswirkungen, ganz besonders hier in Dapoya.

In den drei Pisten hinter unserem Haus bis zu den Barrages steht kaum noch ein Haus, stattdessen viele Trümmerhaufen. Der Großteil der nun obdachlosen Menschen ist in provisorisch eingerichteten Notunterkünften untergekommen; das sind vor allem Schulen, vereinzelt auch Höfe von Privathäusern. In allen Auffanglagern aber fehlt es an allem: Trinkwasser (denn das Leitungswasser ist verunreinigt), Nahrungsmittel (selbst Töpfe zur Zubereitung), medizinische und hygienische Versorgung (allgemeine Epidemie-Gefahr), und überhaupt Platz. Der burkinische Staat lässt auf sich warten. Mittlerweile waren alle administrativen Verantwortlichen, vom Bezirksbürgermeister bis zum Staatspräsidenten, für eine kurze Stippvisite im Viertel, um zumindest alibihalber Betroffenheit zu bekunden. Den wohnungslosen Menschen wurden im Angesicht des Blitzlichtgewitters der Medien hoffnungsfrohe Versprechen verkündet. Diese Aussicht aber wird ganz sicher noch auf sich warten lassen.

Dabei ist gerade jetzt punktuelle Soforthilfe ganz wichtig. Und tatsächlich setzte sich das ach so große Hilfsaufgebot aller namhafter internationaler Organisationen mit hoch humanitärem Anspruch in Gang, ganz langsam, nach einer Woche. Die kostenfreie und ausreichende Nahrungsmittelversorgung in den Notunterkünften soll garantiert sein, es sollen Impfstoffe und Medikamente zur Verfügung gestellt werden, ebenso Matten und Moskitonetze.

Aufgrund der schier überforderten Situation in den Notunterkünften aber ziehen dann viele Menschen ihren eigenen Trümmerhaufen als Schlafplatz vor, auch weil sie hier auf den noch verbliebenen Besitz aufpassen können. Abends kommen sie von ihren Tagesgeschäften, etwa der verzweifelten Suche nach einer neuen Bleibe, zu einem spontan installierten Sammelplatz, einem halb verfallenen Hof, zusammen, um hier den Fernseher einzu- und vor ihm vom Erlebten abzuschalten.

Da wir in unserer Wohngemeinschaft nun mitten im betroffenen Viertel leben, kriegen wir das alles unmittelbar mit. Wenn wir das Tor zu unserer unbeschadeten Insel des Luxus’ schließen, wirkt beinahe alles wie immer. Nur dass wir jetzt zwei neue Mitbewohner haben. Zwei befreundete Nachbarn verloren ihre Häuser und wohnen nun bei uns. Der Salon ist ja groß genug. Am Tag des Regens selber übernachteten noch einige Menschen in unserem Hof, machten sich aber am Folgemorgen auf die unschöne Suche ihres wahrscheinlich verfallenen Hauses. Wenn wir unseren Hof verlassen, meldet sich die böse Realität zurück. Ich bekomme immer ganz schlechte Laune und ein unschönes Bauchgrummeln. Also entschlossen wir, vor allem für die Nachbarn, die nicht in den Notunterkünften leben, etwas zu tun. Irgendwie, irgendwas. Einmal täglich kauften wir ein bisschen was zu essen; Baguette mit Sardinen, Café und Reis. Das überbrachte dann der bei uns wohnende Nachbar den Menschen im Sammelhof. Denn wir grämen uns vor dem unangenehmen und so gar nicht gerechtfertigten Glanz spendabler Großzügigkeit. Dennoch wird uns nun auf der Straße von fremden Menschen ein „Dankeschön“ hinterher gerufen oder Menschen bedanken sich überschwänglich vor unserem Haus wartend, wenn wir gerade nach Hause kommen. Naja.