Samstag, 20. Oktober 2007

Und wieder ich

Nachdem ich die letzten Male, nach eigenem Empfinden, nicht gerade mit stilistischer Hoechstleistung geglaenzt habe, gelobe ich hiermit Besserung und groessere Sorgfalt in der Erstellung meiner Eintraege. Meine Lebenssituation ist nun auch wieder ruhiger, so dass mir Zeit fuer Reflexionen unterschiedlicher Art bleibt, was die Eintraege vielleicht wieder etwas spannender werden laesst.
Beispielsweise ueber das chilenische Selbstverstaendnis und den chilenischen Habitus. Anfangs hab ich Chile mal mit Bayern verglichen, was die sprachlichen Begebenheiten angeht. Das trifft auch auf Anderes zu, wie etwa das Verhaeltnis Chiles zum Rest des Kontinents. So richtig zu Suedamerika gehoerig fuehlt man sich hier nicht. Das hat mehrere Gruend, zum Beispiel die geografische Lage. Mit dem Meer auf der einen Seite und den Bergen auf der anderen, liegt Chile quasi ausserhalb. Dann merkt man hier auch sehr stark die europaeischen Einfluesse, vor allem die deutschen. Im Sueden gibt es deutsche Siedlungen, die ihr eigenes Bier brauen, eine Art Oktoberfest installiert haben und auch sonst nicht viel mit Chile zu tun zu haben, sondern eher Klischees zu leben scheinen. Und Santiago ist in grossen Teilen sowieso kaum von einer europaeischen Grossstadt zu unterscheiden.
Diese Abgrenzung bewirkt auch, dass der allgemein anerkannte Habitus hier der am wenigsten heissbluetigste in Suedamerika ist. Wenigstens ist das die einstimmige Meinung aller mir bekannten Chilen_innen. In Brasilien ist die Individualdistanz wohl noch um einiges geringer und Konversationen sind von mehr Koerperkontakt begleitet.
Nichtsdestoweniger ist hier eine Begruessung ohne eine Umarmung und einen Kuss auf die rechte Wange schon fast eine Beleidigung. Wenigstens zwischen Frauen oder Maennern und Frauen. Maenner unter sich geben sich die Hand. Wenn er auch nicht so latino ist, wie in anderen Laendern hier, der Umgang, den Maenner mit Frauen and den Tag legen, ist gewoehnungsbeduerftig.
Ich hab mir mal die Muehe gemacht in den letzten 4 Tagen mitzuzaehlen, wie oft ich dumme Sprueche hoeren musste. Dabei hab ich Pfiffe nicht gezaehlt, ebensowenig wie Kommentare, die ich nicht verstanden habe (was einige waren). Erwaehnenswert ist auch, dass ich normalerweise nur zur Arbeit und zurueck laufe, ansonsten immer mit Leuten unterwegs bin und deswegen nicht auf das hoere, was Menschen um mich herum sagen, weil ich mich auf die Konversation konzentrieren muss. Nach all diesen Einschraenkungen waren es dann noch zehn. Dabei habe ich mir inzwischen wirklich ein Verhalten zugelegt, dass eigentlich nicht gerade eine Aufforderung zu Smalltalk sein sollte. Ich gehe mit schnellem Schritt, vermeide Blickkontakt und laechle nicht grundlos. Aber die blonden Haare sprechen wohl fuer sich.
Dieses Verhalten hat nun zwei merkliche Auswirkungen auf mein Befinden hier. Die erste ist, dass es mich ermuedet. Ich habe keine Lust, mich staendig gegen fremde Maenner abgrenzen zu muessen, ueberall, wo ich stehen bleibe angesprochen zu werden, meistens auf englisch, und am Ende eine Einladung auf ein Bier oder gleich in das Haus des Mannes ablehnen zu muessen. Dieses Gefuehl ueberwiegt auch ganz deutlich. Und trotzdem habe ich auch festgestellt, warum viele Frauen das toll finden. Es gibt einem schon ein Stueck Selbstbewusstsein. Oder besser: Koerperbewusstsein. Staendig mit Worten wie "hermosa", "linda" oder "mi reina" bombardiert zu werden, laesst einen irgendwann an die eigene Ausstrahlungskraft glauben. Aber nach dem Bruchteil einer Sekunde faellt mir dann wieder ein, dass das eine unzulaessige und zudem machistische Verkuerzung meiner Persoenlichkeit ist. Und "inteligente" wurde bislang wohl weder mir noch irgendeiner anderen Frau auf der Strasse hinterhergerufen.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich könnte dich nun - ganz plump, ganz doof - mit "ooooh, meine intelligente" begrüßen, lass ich aber.

Stattdessen die Frage:
Wie reagierst du auf derlei Angebote, Anmachen, Ekelzeux?

carmen hat gesagt…

Vorzugsweise gar nicht, allerdings reagiert man immer irgendwie und wenn man nur den Blick demonstrativ auf die andere Strassenseite lenkt. Ich hab noch nichts geantwortet, aber mein fester Plan ist, Sprinten ueben und dann mal ein "Andate a la concha de tu madre!" (Keine Uebersetzung, waere nicht jugendfrei) fallen zu lassen. Aber dazu muss ich schnell sein. Und ja, das passt eigentlich nicht zu mir, aber dieser Satz ist in den letzten Monaten immer weiter aus meinem Unterbewusstsein an die Oberflaeche gedrungen. Deswegen fuerchte ich, dass mich wirklich mal die Selbstbeherrschung verlassen wird.
Jahaj, so ist das. Wer bist du eigentlich, nette_r Kommentator_in?

Christoph hat gesagt…

Ich habe da so eine Vermutung, Watson...

carmen hat gesagt…

Ja, ich auch. Kenne nur eine (oder vielleicht zwei) Personen, die die Kombinationen "gs" und "chts" mit x abkuerzen.
Der Schreibstil liefert einen weiteren Hinweis, der in die gleiche Richtung deutet. Stimmst du mir zu, Sherlock?
Aber um voellig sicher zu sein, braeuchte ich eine Pfeife und eine Lupe. (So, damit bin ich wieder aus der Rolle gefallen, weil nicht Watson diese Sachen hatte, sondern Sherlock.)

Anonym hat gesagt…

Sherlock... Watson... pf, egal.

Wichtig ist, wer hier wem hinterherläuft und wer hier wem schonmal den Wagen vorfährt.

Christoph hat gesagt…

Entzückend!

Anonym hat gesagt…

da wir das thema ja schon im kleinen kreis erörtert haben, noch was anderes: mir ist völlig egal was deine einträge stilistisch hergeben,. hauptsache ist, du schreibst.

wenn ich mal wieder fähig bin in größeren zusammenhänegn (= mehr als 2 sätze) zu denken und dies auch schriftlich festzuhalten meld ich mich wieder bei dir. antrag angekommen, habe aber noch anmerkungen.

mein rücken und ich wünschen dir eine erholsame nacht
träum was schönes

lore

PS: wir haben jetzt winterzeit. heißt das, ihr seid uns jetzt nur noch 4 stunden hinterher?