Wir sind in Bundi (wie immer in einem ehem. Kuhstall untergebracht), einem gerade für den Mini-Massen-Tourismus aufwachenden Oertchen mit altem Prachtschloß. Erst- und Zweitfrau des lokalen Gewaltherrschers hatten eigene Luxusappartments und es gibt viele Wandmalereien, die die Herrscherfamilie beim Saufen und Kiffen zeigen. Man unterscheidet schön simpel in einen Lieblingsherrscher der Dynastie, der drei Stunden pro Tag die Sorgen seiner Untertanen angehört hat und jetzt in einem Schrein als Heiliger verehrt wird; und es gibt den Bösewicht, der 64 Frauen hatte und sich nicht um die Untertanen kümmerte.
Das alles erzählt einem der in jedem Reiseführer empfohlene Guide, ein sehr aufdringlicher Mann, der einen dauernd am Arm in irgendwelche Ecken reisst, weil man das Palast-Innere von seinen Zentimeter-peniblen Fantasiemarkierungen aus angeblich am besten bewundern kann. Wie so viele Inder hat er die Macke, alles in Rangfolgen zu packen und hat aus den hunderten Wandbildern extra die fünf besten ausgesucht, die man sich dann auch ausgiebig ansehen muss.
Noch hat die Konkurrenz in Bundi ihr leistungssteigerndes Werk nicht getan, es bleibt genug Geld für alle übrig. Bis die nächste Konsolidierungsphase also zu Leistungssteigerungen zwingt, werden einfach die Maschen des Nachbarn kopiert und man muss 80 Minuten auf einen Lassi warten . Ich ärgere mich doppelt, weil ich effizienteres Arbeiten gewohnt bin und deshalb erstens immer einen Hals kriege, wenn jemand offensichtlich Zeit verplempernd arbeitet; und zweitens, weil ich mir als Antinationalist ganz schön Deutsch mit dieser Reaktion vorkomme.
In unserem Guest House "Lake View" kann man herrlichst im Garten sitzen und den künstlichen See angucken. Wegen des dürftigen Monsun-Ergebnisses letztes Jahr ist der See allerdings eher eine Ansammlung von Pfützen mit Allmende-Wiese. Zwei Kuherden weiden darauf und die Hirtinnen sammeln sogleich den Kot zur Wiederverwertung ein.
Das kann man ausgieig beobachten, weil die hiesige Service-Kultur - wie gesagt - eher an den schlurfigen Bedürfnissen der Kellner denn der Kunden orientiert ist. Da sitzt der Restaurant-Boy (ein armer Tropf, der im 16-Stunden-Tag das Restaurant fast im Alleingang betreiben muss) schonmal Zeitung lesend mit dem Rücken zu seinen Gästen.
Wir haben die Zeit für das Frühstück gestoppt: Nach 50 Minuten kam Carmens Tee, dann zehn Minuten später unser köstlicher Fruchtsalat, nach 80 Minuten dann mein Muesli mit dem ersehnten Lassi. Zähneknirschen und Kopfschütteln füllen mir die Wartezeit.
Oft kopiert ist hier das Konzept des roof top restaurants. In Hampi waren das äußerst angenehme, teilweise individuell gestaltete Plätze zum Rumchillen. Hier in Bundi werden einfach zwei alte, schienbeinhohe Tische mit Gartenstühlen aufs kalte, neonröhrenbeleuchtete Dach gepackt. Man kommt hinauf, indem man der Familie, die in dem Haus wohnt, durch die Wohnetage latscht und sie beim Fernsehen stört. Die ewig quengelnd schreiende Tochter (die Zwölfe mögen mich mit solchen Kindern verschonen!) nimmt die Bestellungen auf und die Mutter macht einem was in der Familienküche.
Nach Bundi sind wir übrigens sehr unentspannt gereist. Erstmal von Hampi aus tagelang in Zug und Bus nach Ellora, einem fiesen Kaff ohne Internet. Highlight auf dem Weg dorthin: das äußerst häßliche Hyderabad. In Ellora gibt es einige dutzend recht spektakuläre Höhlen, die vor ungefähr 1300 Jahren aus dem Berg gehauen wurden. Jeweils mit buddhistischen, brahmanischen und jainischen Motiven oder sogar ganzen Kloster- und Tempelanlagen ausgehauen. Carmen würde jetzt Bilder einfügen, ich habe sowas nicht. Carmen, schreib' nochmal einen Ellora-Eintrag!
Von Ellora war es ohne Internet schwer, die Weiterreise zu buchen, weshalb wir viel auf Vermutung und auf den letzten Drücker von Stadt zu Stadt gedüst sind. In Jalgao haben wir Bettelkinderhorden an Straßenständen durchgefüttert und in Kota sind wir den wohl unfreundlichsten Menschen des Kontinents begegnet.
Ueberhaupt, Kota! Von Kota aus sollte es nur eine Stunde mit dem Bus bis Bundi sein, also freuten wir uns nach mittlerweile 30 Stunden ununterbrochenem Reisen schon auf das Ankommen. Aber in unser Schlafabteil quetschten sich zwei Stunden vor der unfreundlichsten Stadt der Welt plötzlich 16 Leute, weil ein paar pendelnde Ingenieurstudenten unbedingt Carmen fotografieren und anbaggern, laut johlen und schlechte Musik über ihre Handylautsprecher dröhnen mussten.
Ach, Indien.
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2 Kommentare:
Ellora-Bilder folgen in Kuerze.
Die Jungs im Zug waren witzig. Vor allem der Faktor, dass wir dann ploetzlich 16 Personen auf den Plaetzen von eigentlich 9 waren. Klischeeindisch.
Ha! Carmen hat einen Fanclub!!!
:))
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