Samstag, 6. Juni 2009

Was tun mit dem Huhn?

Schon etwas länger her, über Ostersonn- und -montag, reisten wir nach Kaya. Das ist ein kleines Städtchen hundert Kilometer nördlich von Ouaga. Zwar ist schon das burkinische Busfahren einen Bericht wert, aber heute geht es erstmal noch um ein anderes Erlebnis, das maßgeblich von einem Huhn handelt. Siehe auch Überschrift, nech.
In Kaya trafen wir dann andere Nassara, denn die Entwicklungshilfe-Szene Burkinas klüngelt. Da die Stadt Kaya selbst jetzt nicht soooho sehenswürdig ist, folgten wir dem Rat des Buches und beschlossen, zum Lac de Dême zu fahren. Und zwar mit dem Privatauto einer besserverdienenden UNO-Frau, einem normalen PKW, der für maximal fünf Menschen zugelassen ist – und zwar zu siebt. Als wir alle verstaut waren, rumpelten wir los. Im Stadtzentrum fielen wir noch gar nicht auf zwischen all den überladenen Gefährten. Als wir dann längere Zeit auf den immer gleich aussehenden Pisten herumkurvten, Hinweisschilder zum ersehnten Lac vergebens suchend, waren wir immerhin eine gern gesehene Attraktion. Nassara am Fenster winkte papst-gleich den Menschen zu. Nach mehrmaligem Fragen („jaja, immer geradeaus“) und einigen Unterbodenaufsetzern erreichten wir auf einer pistigen Landstraße einen großen schattenspendenden Baum, unter dem sich mehrere Frauen mit Kindern versammelten – und Mangos verkauften; ob der raren Verkehrsdichte schienen mir die Verkaufschancen nicht sonderlich hoch. Hier stellten wir dann unsere letzte Frage nach dem ersehnten Lac de Dême. Eine jugendliche Tochter erklärte sich sogleich bereit, uns zu begleiten, dann aber zu Fuß, auf dass wir unser Ausflugsziel auf den letzten Metern nicht doch noch verfehlen würden. Und schließlich: Okay, ein See halt, mit Wasser, joah. Viel wichtiger aber das ganze Drumherum. Denn neben der Tochter wuselten auch immer ihre kleinen Brüder um uns herum. Meistens kicherten sie verlegen. Die viele westliche Technik fanden sie zunächst ein wenig befremdlich, neckten sich dann aber gegenseitig, als sie sich auf dem soeben gedrehten Film wiedersahen. Hihi. Die verschüchterten Jungens auf einem doofen Klischee-Foto.
Dann ging es zurück zum geparkten Auto, zuvor aber noch ein Abstecher zum Dorf der Kinder. Zorkoum, falls es irgendwie interessieren sollte. Der Vater der Kinder war auch gleichzeitig der Dorfchef und lebte mit seinen mehreren Frauen und gefühlten TAUSEND Kindern auf einem Hof. Die Nachbarn etwa hundert Meter entfernt. Im Hof wurden uns sogleich Stühle zurecht gerückt. Die anderen, vor allem Kinder, tummelten sich um uns. In die Mitte wurde ein großer Topf mit Erdnüssen platziert, immer schön zugreifen. Sodann folgte der Plastikbecher mit Dorfwasser, der nun unter den Gästen die Höflichkeitsrunde machte, denn großes Dilemma: In jedem Tropeninstitut, in jedem Gesundheitsratgeber wird vor nicht industriell abgefülltem oder nicht selbst gereinigtem Wasser gewarnt; andererseits aber soll nun auch nicht die großzügige Gastfreundlichkeit verprellt werden. Alle nippten also einen gut gemeinten Alibischluck; unser spontan aus der Gruppe erkorener Chef-Korrespondent mit dem meisten sprachlichen und kulturellen Wissen trank dann dankenswerterweise den halben Topf leer. Dann murmelte der Vater etwas zu den Kindern, die daraufhin wild lospreschten. Achso, sie jagten ein Huhn. Als sie es von allen Seiten in die Enge getrieben hatten, wurde es an den Füßen gepackt und dort durch ein Band an jeder weiteren Bewegung gehindert. Das war nun das Geschenk an uns: ein lebendes Huhn. Oh, wie nett, janein, wirklich, ganz lieb. Wir reichten das Huhn zwischen uns herum und berieten: Was tun mit dem Huhn? Wir versuchten freundlich und mit Hinweis auf unsere Hotelübernachtung sowie die Reise nach Ouaga das Huhn zurückgeben zu dürfen. Aber nix da. Keine Nassara-Ausrede wurde zugelassen. Also wurde das Huhn eingepackt und im Fußraum des Autos transportiert. In Kaya überlebte es in der Hotelküche, oh Wunder. In Ouaga wurde es in einem WG-Hof ausgepackt. Zunächst wurde noch ein Hahn dazugekauft, in der Hoffnung einen kommerziellen Hühnerhof zu etablieren, aber der Hahn hat dann doch zu viel Krach gemacht und wurde wieder verkauft.

6 Kommentare:

carmen hat gesagt…

Hahaha! Haustier oder Nahrungsquelle? Das ist hier der kulturelle Unterschied ;-)

Ich mag die Geschichte sehr gern und hätte auch gerne ein Huhn. Zu der Katze und den (momentan noch imaginären) Fischen!

Lisa hat gesagt…

Ich trage nach:
Das mit der Technik läuft irgendwie nicht so, wie ich mir das so sehr wünsche. Die Einträge tragen jedes Mal aufs Neue ein anderes Design zur Schau. Und beim Foto-Hochladen geht es nicht voran, er lädt und lädt und lädt... Nix mit peinlichen Kitsch-Fotos von afrikanischen Jungens. Ich schlage deshalb vor, dass interessierte Menschen nach Ouaga reisen. Dann kann ich die Fotos direkt auf dem Laptop vorführen. Na?

Lisa hat gesagt…

Und der frankophone Hahn macht nicht etwa "Kikeriki", sondern "cocorico". Tztz. Die spinnen die Franz... die Franko... die frankophonen Menschen. Auf deutsch klappt das nicht so schön. Ils sont fous, les francophones!

carmen hat gesagt…

Hm, das mit der Technik ist doof. Dabei wollte ich so gerne kitschige Fotos sehen...

Im übrigen finde ich, dass weder "kikeriki" noch "cocorico" so klingen, wie Hähne wirklich machen. Da gibt es noch Forschungsbedarf!

Christoph hat gesagt…

Kröchrörökööh, Leute, Kröchrörökööh, ganz eindeutig!

Lisa hat gesagt…

Also, auch das finde ich nicht treffend. Neben dem Einwand, dass sich das mal so üüüberhaupt nicht nach "Kröchrörökööh" anhört (vielleicht mal das andere Ohr hinhalten, nech), ist das auch reichlich deutsch. Keine andere Sprache kennt weder "ö" noch "ch". Und ich bezweifle schonmal prophylaktisch, dass Hähne ihr Krähen an die Menschensprache ihres Umfeldes anpassen.