Freitag, 4. Januar 2008

50 Tage Cuba

La Habana, 4ro de Enero del 2008 – Año 50 De La Revolución

Liebe Freundinnen und Freunde,

nach nunmehr 4 Wochen in Kuba, dachte ich, dass es Zeit für einen ersten Zwischenbericht aus La Habana (Cuba) wäre. Die folgenden Eindruecke sind nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was mir Tag fuer Tag hier begegnet. Aber ich denke, dass ihr einen kleinen Einblick in den kubanischen Alltag gewinnen koennt.

...Nun fragt ihr Euch sicherlich, wieso ich von 4 Wochen und nicht von acht Wochen spreche; ein Einwand der voellig zurecht kommt. Denn mittlerweile bin ich mehr als 50 Tage in Kuba und der Anfangstext ist der Text, den ich schon vor 4 Wochen fertig hatte, aber sinnbildlich fuer den kubanischen Alltag, laeuft nichts, so wie man es sich vorstellt und so komme ich dann erst dazu meinen kleinen Bericht zu vervollstaendigen...

Gleich am ersten abend wurde ich standesgemaess mit einem kleinen Feuerwerk in der Strasse meiner ersten Wohnung begruesst. Allerdings wuerdet ihr eher von einem kraeftigen Kurzschluss sprechen, der von einem heruntergefallenen Oberleitungskabel ausgeloest wurde. Wie auch immer, jedenfalls spruehte es Funken ueber und neben mir, begleitet von kleinen Explosionen, und so hatte ich gleich am ersten Abend in Kuba die Chance meine Reaktions- und Sprintfaehigkeiten unter Beweis zu stellen – mit Erfolg. Obwohl die Stromleitungen hier eher experimentell verlegt sind, blieb es bislang aber das einzige Feuerwerk dieser Art. Denn das bei uns so obligatorische Neujahrsfeuerwerk, sei es privat oder oeffentlich, war hier ein gewaltiger Schuss aus einem grosskalibrigen Artillergeschuetz der Revolutionaeren Streitkraefte Kubas (FAR-Fuerzas Armadas Revolucionarias). Unmittelbar nach Punkt 12 sendete dass kubanische Fernsehen dann Bilder des revolutionaeren Kampfes von Che und den anderen Commandantes der Revolucion.

Das nur als kleiner aktueller Einschub – ich folgenden werde ich dann ueber einige kubanische Besonderheiten berichten, die einem als Touristen sicherlich nicht auffallen wuerden, aber im Alltagsleben Kubas von entscheidender Bedeutung sind.

Das ist zum Einen der Verkehr bzw. der oeffentliche Nahverkehr. Viele von Euch haben sicherlich bei Autos und Kuba die Assoziation von alten Ami-Schlitten aus den 50ern. Zu einem gewissen Grade ist diese Assoziation auch zutreffend, denn zumindest in La Habana machen sie ca. ein Drittel der PKW’s aus. Den uebrigen Teil bilden ebenfalls leicht betagte Autos aus der UDSSR wie Ладас oder Москвиишс sowie seit neuestem chinesische oder europaeische Fabrikate. Wichtig fuer den Alltag sind vor allem die Ami- und Sowjetautos, da nahezu alle von ihnen als inoffizielle Taxis fungieren, die einen innerhalb der Stadt fuer weniger als 1,- EUR befoedern. Allerdings sollte man genau wissen, wo man ein entsprechendes Auto anhaelt, denn die meisten von ihnen haben festgelegte Routen und halten nicht ueberall, wo man es sich wuenschen wuerde. Aber auch wenn man im falschen „Taxi“ sitzt ist die Fahrt mit einem bis zu 60 Jahre alten Chevrolet, Pontiac, Ford oder auch mal Mercedes immer ein Erlebnis; besonders dann, wenn sich das Alter des Autos bemerkbar macht und es sich weigert die Fahrt fortzusetzen. Eine weitaus guenstigere, aber nicht weniger aufregende Variante des Transportes in der Millionencapitale La Habana ist die Nutzung der sog. Guaguas. Die ist ein Sammelbegriff fuer die oeffentlichen Busse, die seit neuestem aus China kommen. Ereignisreich ist eine solche Fahrt, die 40 Centavos (weniger als 2 Cent) vor allem deshalb, weil viele Haltestellen nicht als solche gekennzeichnet sind, die Busse nicht immer mit Nummer oder Ziel versehen wird und immer eine halbe Deppe-Vorlesung sich in den Bus quetschen moechte. Dank des Ultimo-Systems (der jeweils letzte zur Haltestelle kommende fragt nach dem vorigen Letzen und so ergibt sich eine Einsteige-Reihenfolge) funktioniert trotz manchmal offen bleibender Tueren erstaunlich gut. Spannend auch deshalb, weil nie sicher ist ob und wann der entsprechende Bus kommt und vor allem wann der Bus ankommt. Denn nicht selten kommt es vor, dass der Bus zwischen den Haltestellen haelt, allerdings nicht unbedingt um weitere Fahrgaeste aufzunehmen, sondern vielmehr um sich an irgendeiner Strassenecke etwas zu essen zu kaufen. Auch kann es vorkommen, dass zwei Busse quer auf der Fahrbahn stehen und den gesamten Verkehr blockieren; allerdings nicht wegen eines Unfalls, sondern vielmehr um einen kurzen Plausch zu halten...Auch das Zugsystem, dass eines der aeltesten der Welt ist und fuer den Zuckerrohrtransport geschaffen, soll hier sehr erlebnisreich sein, obgleich ich es bis heute noch nicht ausprobiert habe.

Ein weitere alltagsfuellende Herausforderung ist der Einkauf von Lebensmitteln oder sonstigen Verbrauchsguetern. Durch die vor allem die US-Blockade bedingte Teilung der kubanischen Oekonomie in nationale Waehrung (MN-Moneda Nacional) und die Devisenwaehrung (CUC-Convertible Pesos) sind viele Waren nur schwer und zu hohen Preisen in bestimmten Geschaeften erhaeltlich. In diesen Tiendas Panamericanas gibt es vor allem Importwaren zu mindestens deutschen Preisen; allerdings ist nicht immer alles vorraetig und es kann schon vorkommen, dass ohne ersichtlichen Grund der Laden unerwartet geschlossen hat. Wer aber Geld hat, ist mit diesen Tiendas gut bedient. Weitaus schwieriger ist der Einkauf in Peso Cubano/Moneda Nacional, denn in dieser Waehrung gibt es nur Produkte aus nationaler Produktion, die zwar guenstig, aber nicht von sonderlich guter Qualitaet sind. Besonders spannend fuer Europaer ist der Einkauf von Obst und Gemuese aus den Mercados agropecuarios, auf denen entweder der Staat oder Kooperativen und auch Privatbauern ihre Produkte anbieten. Spannend deshalb, weil es eine Vielzahl von Obst und

Gemuese gibt, die bei uns unbekannt sind und auch nicht im Woerterbuch uebersetzt sind. Besonders die zahlreichen Knollengewaechse wie Maniok, Yuka oder Boniato oder auch Fruechte wie Mamey bringen mir zumindest immer wieder neue Geschmackserlebnisse.

Ebenso herausfordernd ist der Konsum von Lebensmitteln an Kiosken, Imbissstaenden oder sonstigen Futterorten. So ist nicht nur der Andrang teils erdrueckend, sondern auch die vielzahl von nur in Cuba bekannten Speisen und Gerichten, die kein Woerterbuch kennt. Besonders aufregend ist der Besuch der Coppelia, der aus dem Film „Erdbeer und Schokolade“ bekannten groessten Eisdiele Habanas, an der 1 Stunde Wartezeit nicht selten ist und die nicht weniger als 4 Eingaenge hat, die jeweils an einen anderen Ort fuehren, an dem jeweils andere Eissorten ausgegeben werden. Zumindest theoretisch, den oftmals gibt es nicht die angegebene Sorte. Angesichts des Preises von 5,- MN fuer ein Ensalada (5 Kugeln), was 20 Cent entspricht, laesst es sich zumindest als Auslaender gut warten. Wobei Auslaender, so sie denn den Preis in nationaler Wahrung und nicht das 24fache in CUC zahlen wollen und sich nicht allzu touristisch benehmen und Aussehen, am besten wenig reden und in Cuba-Slang bestellen sollten, um nicht als Auslaender ertappt und „geschroepft“ zu werden.

Die Sprache ist ein weiteres Geheimnis und Erlebnis dieses Landes, denn theoretisch wird hier zwar Castellan (Spanisch) gesprochen, in der Realitaet ist es jedoch eine Sprache, die oftmals selbst Spanien nicht verstehen, weil hier viel zu schnell und zu undeutlich mit zu vielen Kubanismen gesprochen wird. So heisst es in Spanien, dass die Kubaner sprechen wuerden, als haetten sie eine Kartoffel im Mund – eine nicht ganz unzutreffende Feststellung.

Nun aber zu ein paar weniger problematischen und dafuer umso erfreulicheren Seiten Kubas:

An erster Stelle faellt mir hier im Gegensatz zur BRD die Sportbegeisterung der vor allem jungen Bevoelkerungsteile auf, die jede Gelegenheit, jeden Ort und jedes Hilfsmittel nutzt, um dem Nationalsport Peloton (Baseball) nachzugehen. So ist denn in Kuba die Gefahr auch wesentlich groesser von einem verirrten Baseball getroffen zu werden, als Opfer eines Ueberfalls zu werden, was nicht nur am vielen Baseball spielen, sondern auch an der relativ intakten kubanischen Gesellschaft liegt, die zwar in der Hauptstadt teilweise sehr kosumorientiert ist, aber durchaus aus noch die Werte Solidaritaet und Humanismus zu pflegen weiss. Ebenso erfreulich wie der auch international erfolgreiche kubanische Sport ist die Kulturfoerderung in Kuba. So werden Kino, Theater, Ballet, Kabarett usw. sehr hoch subventioniert und somit hat wirklich jede Kubanerin und jeder Kubaner nicht nur theoretischen Zugang zu den qualitativ hochwertigen Kulturangeboten, die z.T. internationalen Charakter haben. Auf dem im Dezember stattgefunden „Internationalen Filmfestival des Neuen Lateinamerikanischen Kinos“ in Habana haette ich bei Bedarf auch „unsere“ Filme wie „Auf der anderen Seite“ oder „Das Leben der Anderen“ sehen koennen.

Mein letzter Punkt dieser Schilderung nach 50 Tagen Kuba soll der Politik gewidmet sein, die Euch ja vielleicht auch interessiert: Die Politik, die ich an dieser Stelle isoliert ohne die Erfolge in der Gesundheit, Bildung, Kultur, Sport und Wissenschaft schildern will, die aber natuerlich Ergebnis der sozialistischen Ausrichtung der Politik sind, ist fuer mich hier besonders hinsichtlich zweier Aspekte besonders interessant. Dies ist zum einen die Frage nach der Person des „Comandante en Jefe“, als nach Fidel und seinem Gesundheitszustand. In dieser Frage ist zum Einen festzuhalten, dass Fidel nach wie vor praesent ist – weniger weil seine Zitate an den Haeuserwaenden prangen oder einem ab und an ein Foto des „Baertigen“ begegnet, sondern viel mehr, weil er sich sehr haeufig in den Presseorganen Kubas zu alltaeglichen wie auch weltpolitischen Fragen aeussert und die Rolle eines „Olderstatesmans“ spielt. Die praktische Politik wird von seinem Bruder und einem Kollektiv gemeinsam gestaltet; erfolgreich, akzeptiert und durch die Person von Raul kurz, praezise und effektiv artikuliert und umgesetzt. Das gesellschaftliche und politische Leben funktioniert nach meinen Erfahrungen bisher weiter reibungslos und mit zum Teil durchaus beachtlichen Fortschritten. Besonders erfolgreich scheinen mir neben den Fortschritten bei der Versorgung der Bevoelkerung mit Lebensmitteln, Oel und sonstigen Guetern die internationalen Missionen Kubas zu sein. Damit meine ich vor allem die Operacion Milagro (Wunder), die Kuba gemeinsam mit Venezuela durchfuehrt und die in wenigen Jahren mehrere Millionen Menschen Suedamerikas und der Karibik kostenlos an Augenkrankheiten operiert haben wird, die ansonsten zu Erblindungen fuehren wuerden. Diese Mission ist hier taeglich praesent, weil

mir hier immer wieder Angehoerige des medizinischen Personals der Misson begegnen, die den Humanismus, Sozialismus und die internationale Solidaritaet Kubas verkoerpern.

Die soll es jetzt ersteinmal mit den Eindruecken aus 50 Tagen Kuba gewesen sein. Bis zum naechsten Bericht hoffe ich ein paar Bilder posten zu koennen – wenn denn die Technik mitspielt...

Bis dahin schicke ich allen Leserinnen und Lesern sonnige und solidarische Gruesse von der kleinen, roten und doch irgendwie grossen Insel Cuba.

¡Viva Cuba Libre!

¡Viva la Revolución Cubana!

¡Hasta la Victoria Siempre!

¡Venceremos!

1 Kommentar:

carmen hat gesagt…

Hey Steffen,

schoen, dass du den blog jetzt auch nutzt!

Cuba klingt echt spannend, viel Spass weiterhin auf der kleinen grossen Insel!