Samstag, 29. Dezember 2007

Buenos Aires, eine Foto-Love-Story

Pah, was sind schon 20 Stunden Busfahrt (einfach), wenn man dafuer drei Tage in einer herrlichen Stadt verbringen kann? Jetzt verstehe ich, wie man sich in Buenos Aires verlieben kann.

Nach ungefaehr zwei Stunden Busfahrt: Die argentinische Grenze. Nach weiteren zwei Stunden warten, und Grenzabfertigung, ging's auch schon weiter. Direkt ins Hostel.

Huebsch, nech?

Der aufmerksame Betrachter, sowie die aufmerksame Betrachterin, koennen den Schimmel rechts oben entdecken. D'oh!
Doch dann ging es daran, die Stadt zu erkunden.

Das ist in Recoleta, einem sehr gehobenen Stadtteil. Was aber in der ganzen Stadt war, war dieser Eindruck der Ruhe. Die Leute sind nicht staendig rumgerannt, generell hat man von den 13 Millionen Einwohnern, die diese Stadt angeblich hat, nicht wirklich viele gesehen. Vielleicht hatte das aber auch mit der Weihnachtszeit zu tun.

Unglaublich, aber wahr, das Bild oben zeigt einen Friedhof. In den grossen Marmor-Haeusern wohnen die Toten. Beruehmte, reichte Tote, wie beispielsweise Evita. Manchmal konnte man durch die Fenster sogar die Saerge sehen. Dem Tod hautnah.

Etwas weiter gelaufen, stand er dann da. Der Obelisk. Herrlicherweise gab es am gleichen Tag einen Auftritt einer argentinischen Ballett-Groesse, direkt dort, auf der Strasse, hinter dem Obelisken.

Und sonntags gibt es einen Markt im Stadtteil San Telmo. Bessergesagt ein Marktspektakel. Fast im ganzen Barrio gibt es Staende, auf denen artesanale Kunst, Kitsch, Kleidung, Essen, ja eigentlich alles verkauft wird. Und es wird getanzt. Tango natuerlich.

Und manchmal, wenn man einfach abbiegt, weg von den lebhaften Strassen, kann man Hinterhoefe finden, in denen die Zeit stillsteht.

Abschliessend noch ein Wort zur argentinischen Farbgebung: Rosa.


Ja, denkt ihr jetzt, gut, ein rosa Haus. Nein, nein, nein, ein rosa Regierungssitz! Desweiteren zeigen in Buenos Aires rote Ampelmaennchen an, wann man nicht gehen darf und rosa Ampelmaennchen, wann es in Ordnung ist.

Wie ihr den Andeutungen (und dem explizit Geschriebenen) vielleicht entnehmen konntet, hat mir Buenos Aires unglaublich gut gefallen. Aber nicht nur die Stadt, auch die vielen, vielen tollen Menschen, die ich dort getroffen habe. Im Hostel haben wir viel mit Menschen aus ganz Suedamerika geredet und natuerlich gefeiert. Und so ging dann auch Weihnachten ohne allzugrosse Heimatssehnsucht in einem erlesenen Kreis neuer Freunde vorbei. Buenos Aires: U rock!

Sonntag, 16. Dezember 2007

Urlaub und der arme Held Victor

Die letzte Woche war relativ ruhig und mit viel Urlaubsplanung versehen.

Die Plaene zusammen gefasst: Am 21.12. werd ich mit Laura, meiner italienischen Mitbewohnerin nach Buenos Aires aufbrechen. Laeppische 20 Stunden Busfahrt spaeter sind wir dann da und verbringen Weihnachten dort in unmenschlicher Hitze, bevor wir die gleiche Anzahl an Stunden zurueckfahren. Wird sicher lustig.

Am 25.01. werd ich dann in den Sueden Chiles fliegen. Nach Punta Arenas. Dort werd ich mich mit Cristián treffen und wir machen eine Woche Trekking im Nationalpark Torres del Paine. Danach fliegt Cristián zurueck, weil er wieder arbeiten muss, waehrend ich alleine und per Bus meinen Rueckweg nach Santiago suche und mir dafuer etwa 3 Wochen Zeit nehme. Die Inseln Chiloé stehen auf jedem Fall auf dem Plan, der Rest ist noch etwas verschwommen.

Nachdem ich sonst ich nicht viel zu berichten habe, haeng ich jetzt noch den versprochenen kurzen Bericht ueber Victor Jara an.

Als Sohn einer Arbeiterfamilie wuchs Jara in der Naehe Santiagos auf. Nach einigem Hin und Her entschloss er sich dazu, Folksaenger zu werden. Ein linker noch dazu. Das war unter Salvador Allende auch noch eine gute Idee. Doch dann kam Pinochet und der fand das gar nicht so lustig, dass da ein Typ staendig linke Arbeiterlieder singt und die Massen zum Zusammenhalt aufruft, zumal Jara auch schon zu einiger Beruehmtheit gelangt war. Also wurde er verhaftet und mit anderen politischen Gefangenen ins Estadio Chile in Santiago verfrachtet. Das Stadium diente zu der Zeit als grosses Gefangenenlager /Folterkammer fuer viele Opositionelle. Dort wurden ihm die Haende gebrochen. Dann wurde er wohl dazu aufgefordert, die Nationalhymne zu singen. Victor Jara sang auch, allerdings nicht die Hymne, sondern das Lied der Unidad Popular, dem Zusammenschluss der linken Parteien Chiles („Venceremos“ – Wir werden siegen.) Das war nicht gut fuer seine Gesundheit. Er wurde daraufhin zusammengeschlagen und schliesslich umgebracht.

Ich finde ja, dass diese Geschichte eigentlich nach einem Happy End schriee. Aber davon, dass das Estadio Chile, 2003 in Victor Jara-Stadium umbenannt wurde, hat der gute Jara wohl nichts mehr. Sein Bild ist hier aber genauso gegenwaertig wie das des guten Ches. Und genauso vermarktet. Aber der Stolz auf Jara ist hier auch ziemlich allgegenwaertig. So wie auch seine Lieder.

Da, noch ein paar Quellen:

Mein Reisefuehrer Chile,

http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%ADctor_Jara,

http://hpd-online.de/node/2726

Samstag, 8. Dezember 2007

Musik!

Mein Leben hier hat sich drastisch veraendert. In einer Weise, wie nur ein spanischsprachiges Land es veraendern konnte. Bislang war mein Leben quasi spitznamenlos (mal abgesehen von einigen grausamen muetterlichen Verniedlichungsformen aus meiner fruehen Kindheit...) Hier haben sich inzwischen drei Spitznamen angehaeuft, die auch alle benutzt werden. Silvia, die Sekretaerin begruesst mich jeden Tag mit einen – wirklich netten – „La Carmencita.“ Mit Betonung auf dem i (La Carmenciiiita), Daniela aus meinem Projekt hat dazu „Carmela“ addiert, wie Carmela aus dem gleichnamigen Stueck von Don Salvador María Granés. Ich werde das Stueck noch lesen, nur so viel: Es ist eine Parodie auf die Oper Carmen und Carmela kommt wohl nicht so gut weg. Sie scheint sich staendig zu verlaufen und auch ansonsten nicht gerade der heissbluetigen Carmen aus der Oper zu entsprechen. Wie ich zu dieser Ehre komme, kann ich hoechstens erahnen.

Gestern erfuhr ich nun von dem dritten und bislang wohl nicht ofiziellen Namen: „La muñeca brava.“ Uebersetzt soviel wie „die mutige Puppe“. Im Deutschen wohl eher tapferes Pueppchen, aber ich moechte Wert darauf legen, dass sie Puppe wenigstens nicht mehr verniedlicht haben! Immerhin kann brava auch „wild“ heissen... Aber Puppe!?!

Das Pueppchen war gestern jedenfalls auf einem Konzert. Es haben vier Gruppen fuenf Stunden lang gespielt. Toll. Chilenische Revolutionslieder. Die ersten beiden, juengeren und noch ziemlich unbekannten Gruppen, haben Musik mehr in Richtung Rock/Ska gespielt. Dann kamen Sol y Lluvia, die mehr Ska in Richtung andiner Musik gemacht haben, was aber auch richtig toll war. Den Abschluss bildeten Inti Illimani, die uns eine musikalische Geschichtsstunde verpasst haben. Mit Musik, die unter Pinochet wohl verboten war, unter Anderem mit Liedern von Victor Jara. (Ich werde in der Woche was ueber ihn schreiben, also macht euch nicht die Muehe auf Wikipedia zu suchen.) Am Ende hat das Publikum mit musikalischer Untermalung der Band skandiert: „El pueblo unido jamàs serà vencido!“ mit erhobener linker Faust. Uebersetzen kann man das wohl mit: Das vereinte Volk wird nie besiegt werden.

Angekommen in der Postmoderne, hab ich daraufhin begonnen mir folgende Fragen zu stellen: 1. Wenn das GANZE Volk vereint ist, wer sollte dann auch noch da sein, um es besiegen zu wollen? 2. Wenn das vereinte Volk nicht alle einschliesst, was passiert dann mit den Leuten, die das Volk nicht besiegen konnten aber auch kein Teil davon sind. Sollte man dann nicht vielleicht noch einen Satz ueber Minderheitenschutz einfuegen? Sowas wie: Das vereinte Volk kann nicht besiegt werden, wir erklaeren uns aber verantwortlich, unsererseits niemanden zu unterdruecken und differierende Meinungen zu akzeptieren, solange sie sich im Rahmen eines gewissen Grundkonsenses befinden, den wir zu schliessen gewillt sind. Zugegeben, etwas schwer zu skandieren.

Heute Abend werde ich das naechste Konzert besuchen. Das wird wohl weniger kaempferisch, aber hoffentlich auch spannend, wieder andigene Musik, diesmal eher Richtung Jazz.

Donnerstag, 29. November 2007

Urlaub (mit vielen Fotos)

Die Eltern sitzen inzwischen wieder im Flieger und ich kann auf spannende drei Wochen zurueckblicken. Vor allem die Reise in den Norden war atemberaubend. Aber das werdet ihr sehen.

Das hier ist Valparaiso (die Hafenstadt mit den schlecht erzogenen Kindern). Das hier auch:


Ansonsten haben wir ja von Valparaiso nicht mehr viel gesehen...
Die naechste Station war San Pedro de Atacama, mit der beruehmten Kirche, die man aus Filmen und Kalendern kennt (oder auch nicht):

San Pedro ist eine Stadt mit Unmengen an Rucksacktouristen, die ihr eine unstressige Atmosphaere verleihen. Touristisch bis ins Letzte erschlossen, aber ohne Betonblockhotels, dafuer mit vielen vegetarischen Restaurants...


Direkt hinter San Pedro beginnt dann die Wueste:

Die Salzwueste ist die trockendste Wueste der Erde. Und hab ich erwaehnt, dass wir sie wandernd durchquert haben?Gut, zugegeben nicht ganz. Aber immerhin zwei einhalb Stunden dauerte die Wuestenwanderung, bei der Lichtschutzfaktor 60 eine gerechtfertigte Groesse darstellte.


Die weissen Stellen sind Salz. Davon gab es noch mehr, so dass wir stellenweise ueber eine geschlossene Salzdecke liefen. Juhu, Schnee, im Sommer. Oder so. Ausserdem haben wir die Theorie gehoert, dass die erste Mondlandung (ihr wisst schon: Kleiner Schritt fuer ihn, grosser Schritt fuer die Amis im kalten Krieg) hier gedreht wurde.
So waren wir dann den ganzen Tag unterwegs und haben noch einen wunderschoenen Sonnenuntergang miterlebt.


Ein anderer Ausflug fuehrte uns zu den Salzseen. Die rosa Punkte, die ihr vielleicht erahnen koennt, sind Flamingos. Um die Viecher zu sehen musste die Tour um 6.00 Uhr morgens losgehen. Dafuer gab's Fruehstueck. Mit Kaffee.

Auf dem weiteren Weg kamen wir noch an bildschirmschonermaessigen Landschaften vorbei:


Warum hab ich mich eigentlich ueber die 6.00 Uhr-Tour beschwert? Zu den Geysiren ging's um 4.00 Uhr los. 4.00 Uhr! Dabei kam dann das raus:

Und die Erfahrung bei ca. 0 Grad Aussentemperatur und 4500 Metern ueber dem Meeresspiegel im Bikini in eine heisse Quelle zu springen. (Ja, davon gibt's auch Fotos. Nein, die werd ich nicht online stellen.)

Achja, und dann, nach stundenlanger Fahrt durch Wueste, mehr Wueste und noch mehr Wueste (es gibt genuegend Fotos fuer einen unglaublich langweiligen Bilderabend...) sind wir irgendwie in der Bibel gelandet:

Mit dem Bibelbild will ich es dann auch auf sich beruhen lassen, mit dem Urlaub. Immerhin will ich euren - gerechtfertigten - Neid nicht ganz an die Spitze treiben.
Seit Montag arbeite ich wieder und naechste Woche wird es wohl ziemlich stressig werden. Aber ich bin ja nun entspannt und kann ein bisschen Stress schon verkraften.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur chilenischen Weihnachtszeit. Oder halt, lieber ein Bild:

Die "Kugeln" sind CocaCola-Werbung. Ob ich Weihnachten dieses Jahr sehr vermissen werde? Ich glaube nicht.

Samstag, 17. November 2007

Puuuuucha (verdammt)

Vielleicht sollte ich langsam anfangen an schlechtes Karma, Schicksal oder Gottes Zorn zu glauben. Vielleicht an ein bisschen was von allem drei.
Dabei begann der Tag so gut. Mit einem Ausflug nach Valparaiso, einer kleinen Hafenstadt in der Naehe Santiagos. Mit dabei waren Lalo, meine Eltern und ich. Wir haben uns eine Ausstellung angesehen, bei der ein Freund mitgewirkt hat (er hat die Installationen vorbereitet...) dann sind wir ein bisschen ueber die Huegel spazieren gegangen. Valparaiso ist auf einigen Huegeln gebaut, sehr huebsch eigentlich. Schliesslich sind wir in eine Gegend gekommen, von denen die Polizisten spaeter erzaehlt haben, dass sie sehr gefaehrlich sei. Ich hab das auch daran gemerkt, dass ploetzlich so ein kleiner Idiot (verzeihung: Kind, Knabe, Junge, Dreckkroete) meinen Hueftbeutel geklaut hat. Nicht etwa heimlich oder so, nein, einfach mit einem Ruck, der so heftig war, dass die Schnur gerissen ist. Woraufhin ich ihm schreiend nachgelaufen bin, was einen Chilenen, Lalo und meinen Vater dazu veranlasst hat, das gleiche zu tun. Nun gut, erwischt hat ihn keiner, aber als ich gerade am Laufen war, hat mir ein anderer Zwerg noch meine Tasche weggerissen. (Die Traegerschnur davon hab ich noch, was wenigstens davon zeugt, dass ich nicht kampflos aufgegeben habe.)
Eine freundliche Nachbarin hat sofort die Polizei gerufen, mit der wir dann zur Polizeistation fahren durften. Haha, ihr wusstet alle, dass ich nochmal ein chilenisches Polizeiauto von innen sehen werde, nicht wahr? Dann haben wir ein Protokoll aufgegeben, herzlich mit den Polizist_innen ueber meine spanisch klingenden Vornamen gelacht, den Polizisten das deutsche Wort fuer peluca (Peruecke) gesagt, was fortan der Spitzname eines der Beamten sein sollte.
Der Ausflug endete damit, dass uns die Polizisten direkt zum Busterminal gebracht haben. Lalo bemerkte bei der Gelegenheit noch, dass diese Szene sehr danach aussaehe, als wuerden wir der Stadt verwiesen.
Morgen geht's dann auf, ins Erdbeebengebiet. (Bin bis Donnerstag weg, sorgt euch also nicht, wenn ich nicht gleich auf mails antworte.)
Achja, wie ich mich danach fuehle: Wuetend, aber nicht eingschuechtert. Wuensche mir einen Baseball-Schlaeger und eine Wassermelone. Aber jetzt, nicht erst zu Weihnachten.

Montag, 12. November 2007

Familien-Action

Am Samstag haben mich meine Eltern besucht. Ja. Nein, wirklich. Hier. In Chile. Also, sie sind auch immernoch da und werden bis 29.11. bleiben.
So hab ich die Gelegenheit Santiago nochmal kennenzulernen. (Und im Gegensatz zu den Urlauben meiner Kindheit kann ich jetzt mal uebersetzen und die Sehenswuerdigkeiten bestimmen. Muarr-harr-harr.) Naechste Woche werden wir reisen und ich habe endlich die Moeglichkeit, etwas mehr von Chile zu sehen. Das Ziel ist derzeit noch unbekannt, wahrscheinlich wird es aber der Norden. Mit Geysiren, der trockensten Wueste der Welt und viel atemberaubender Natur. Da kommt also demnaechst hoffentlich ein spannender Bericht und viele Fotos.
Wow, richtiger Urlaub mit der Familie... Arbeiten tu ich nebenbei aber auch noch. Ein bisschen.

Meine erste Beschaeftigung, bestand bislang darin, meine, mir inzwischen eigene, Santiago-Paranoia auf meine Eltern zu uebertragen. Den ersten Tag hab ich damit verbracht ihnen zu erzaehlen, wo man ueberall nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr hingeht. Und dass man keine Wertgegenstaende in Rucksaecken aufbewahrt und so.
Dafuer waren wir (grosse Teile der Familie Strehl und Lalo, mein Mitbewohner) sonntags auf dem Obst- und Gemuesemarkt. Ich war dort das erste mal als Touristin unterwegs. Kaum zu glauben, wie sich taegliche Erledigungen unter Verwendung einer anderen Sprache aendern. Das erste mal konnte ich nicht in gerechtem Zorn ausbrechen, weil alle Haendler uns erstmal auf englisch angesprochen haben. Unbekannte Fruechte durften mit Recht stundenlang bestaunt und deren moegliche Geschmacksrichtung diskutiert werden. Und die Unterhaltungen auf Deutsch haben uns von den anderen Menschen dort abgegrenzt. Wie richtige Touristen halt.

Dienstag, 30. Oktober 2007

Praesident Pinochet

In unserer Reihe "Unterschiede wie Tag und Nacht" praesentieren wir Ihnen heute: Vergangenheitsbewaeltigung.

Chile ist nun ein Land, in dem man viele Sachen nicht ganz so ernst nimmt. Arbeitszeiten, Treffen, Termine... (Ich schreibe diesen Eintrag, in der Zeit, die ich gewonnen habe, weil ich mich mit meiner Praktikumspartnerin kurzfristig eine halbe Stunde spaeter treffe.)
Buerokratie wird dafuer mit einem Ernst betrieben, der manchmal wie eine Farce anmutet. Man bekommt hier fuer alles kleine Papierchen, die man aufheben muss, damit man damit andere Papierchen bekommen kann, die schliesslich dafuer sorgen, dass man seine Papiere abholen darf.
Eben jene Buerokratie sorgt beispielsweise auch dafuer, dass in der Galerie chilenischer Praesident_innen Pinochet ganz normal aufgefuehrt wird. Da definiert man nicht lange das Wort "Praesident", beispielsweise als Person, die vom Volk gewaehlt wurde. (Wurde Pinochet nie) Nein, da hat alles seine Ordnung und Pinochet seinen Platz in der Ahnengalerie.
Deswegen war es im letzten Jahr auch eine strittige Sache, als die Bachelet dem toten Pinochet das Staatsbegraebnis und die drei Tage Staatstrauer verweigert hat. Als Praesident haette es ihm ja zugestanden. Anhaenger_innen Pinochets haben dann demonstriert, genauso wie Gegner_innen. Letztlich durften dann wenigstens die Militaers ihre Flaggen auf Halbmast haengen.
Kleine Anmerkung unter der Kategorie Ironie des Schicksals: Pinochet ist 10.12. letzten Jahres gestorben und damit am internationalen Tag der Menschenrechte.

Aber auch der weniger offizielle Umgang mit dieser Zeit ist schon spannend. Im Instituto de la Mujer hat man mir inzwischen beispielsweise die beca Pinochet - das Pinochetstipendium erklaert. Damit haben Leute unter Pinochet im Ausland studiert. Allerdings nicht staatlich unterstuetzt. Eher im Gegenteil. Mit der beca Pinochet haben Leute studiert, die unter Pinochet ins Exil mussten und dort dann eine Uni besucht haben.
Vergangenheitsbewaeltigung wird hier wohl auch weniger ernst, dafuer mehr buerokratisch betrieben.

Samstag, 20. Oktober 2007

Und wieder ich

Nachdem ich die letzten Male, nach eigenem Empfinden, nicht gerade mit stilistischer Hoechstleistung geglaenzt habe, gelobe ich hiermit Besserung und groessere Sorgfalt in der Erstellung meiner Eintraege. Meine Lebenssituation ist nun auch wieder ruhiger, so dass mir Zeit fuer Reflexionen unterschiedlicher Art bleibt, was die Eintraege vielleicht wieder etwas spannender werden laesst.
Beispielsweise ueber das chilenische Selbstverstaendnis und den chilenischen Habitus. Anfangs hab ich Chile mal mit Bayern verglichen, was die sprachlichen Begebenheiten angeht. Das trifft auch auf Anderes zu, wie etwa das Verhaeltnis Chiles zum Rest des Kontinents. So richtig zu Suedamerika gehoerig fuehlt man sich hier nicht. Das hat mehrere Gruend, zum Beispiel die geografische Lage. Mit dem Meer auf der einen Seite und den Bergen auf der anderen, liegt Chile quasi ausserhalb. Dann merkt man hier auch sehr stark die europaeischen Einfluesse, vor allem die deutschen. Im Sueden gibt es deutsche Siedlungen, die ihr eigenes Bier brauen, eine Art Oktoberfest installiert haben und auch sonst nicht viel mit Chile zu tun zu haben, sondern eher Klischees zu leben scheinen. Und Santiago ist in grossen Teilen sowieso kaum von einer europaeischen Grossstadt zu unterscheiden.
Diese Abgrenzung bewirkt auch, dass der allgemein anerkannte Habitus hier der am wenigsten heissbluetigste in Suedamerika ist. Wenigstens ist das die einstimmige Meinung aller mir bekannten Chilen_innen. In Brasilien ist die Individualdistanz wohl noch um einiges geringer und Konversationen sind von mehr Koerperkontakt begleitet.
Nichtsdestoweniger ist hier eine Begruessung ohne eine Umarmung und einen Kuss auf die rechte Wange schon fast eine Beleidigung. Wenigstens zwischen Frauen oder Maennern und Frauen. Maenner unter sich geben sich die Hand. Wenn er auch nicht so latino ist, wie in anderen Laendern hier, der Umgang, den Maenner mit Frauen and den Tag legen, ist gewoehnungsbeduerftig.
Ich hab mir mal die Muehe gemacht in den letzten 4 Tagen mitzuzaehlen, wie oft ich dumme Sprueche hoeren musste. Dabei hab ich Pfiffe nicht gezaehlt, ebensowenig wie Kommentare, die ich nicht verstanden habe (was einige waren). Erwaehnenswert ist auch, dass ich normalerweise nur zur Arbeit und zurueck laufe, ansonsten immer mit Leuten unterwegs bin und deswegen nicht auf das hoere, was Menschen um mich herum sagen, weil ich mich auf die Konversation konzentrieren muss. Nach all diesen Einschraenkungen waren es dann noch zehn. Dabei habe ich mir inzwischen wirklich ein Verhalten zugelegt, dass eigentlich nicht gerade eine Aufforderung zu Smalltalk sein sollte. Ich gehe mit schnellem Schritt, vermeide Blickkontakt und laechle nicht grundlos. Aber die blonden Haare sprechen wohl fuer sich.
Dieses Verhalten hat nun zwei merkliche Auswirkungen auf mein Befinden hier. Die erste ist, dass es mich ermuedet. Ich habe keine Lust, mich staendig gegen fremde Maenner abgrenzen zu muessen, ueberall, wo ich stehen bleibe angesprochen zu werden, meistens auf englisch, und am Ende eine Einladung auf ein Bier oder gleich in das Haus des Mannes ablehnen zu muessen. Dieses Gefuehl ueberwiegt auch ganz deutlich. Und trotzdem habe ich auch festgestellt, warum viele Frauen das toll finden. Es gibt einem schon ein Stueck Selbstbewusstsein. Oder besser: Koerperbewusstsein. Staendig mit Worten wie "hermosa", "linda" oder "mi reina" bombardiert zu werden, laesst einen irgendwann an die eigene Ausstrahlungskraft glauben. Aber nach dem Bruchteil einer Sekunde faellt mir dann wieder ein, dass das eine unzulaessige und zudem machistische Verkuerzung meiner Persoenlichkeit ist. Und "inteligente" wurde bislang wohl weder mir noch irgendeiner anderen Frau auf der Strasse hinterhergerufen.

Dienstag, 16. Oktober 2007

das Prinzip İstanbul

Als nun am WE Ramadan sein Ende fand (unter uns, wirklich mitbekommen hab ich hier davon nix) und wir deswegen ein verlaengertes WE hatten, hab ich mich mit einer illustren Gruppe von 20 Erasmusstudieren auf den Weg nach İstanbul gemacht. Und ich sach mal wow. İch war zwar vor 3 Wochen schon mal da, aber auch diesmal hat mich die Stadt so beeindruckt, dass ich auf jeden Fall auch noch ein drittes mal hin muss. Mit rund 15 Mio ist İstanbul die mit Abstand grösste Stadt der Türkei (Anka hat 5, Berlin 3,5) und wie bei jeder anderen Megacity merkt man auch da die logistischen Probleme die so eine grosse Stadt mit sich bringt. Aber im Vgl zu Anka, was nur wegen Atatürk aus dem Boden gestampft wurde, ist İstanbul über Jahrhunderte gewachsen und jede Zeit und jeder Herrscher hat seine Spezifitaeten hinterlassen. Ausserdem geografisch, der Bosporus ist super, das Meer vor der Haustür, Wind und nicht so heiss und trocken und staubig wie in Anka.
Was macht man nun in so einer Stadt? Die meisten Hostels und wenns auch noch solche Baracken sind haben ein Flachdach. Bei Frühstück inklusive sitzt man dann erstmal über den Daechern von İstanbul. İm Rücken die blaue Moschee (auch genannt Sultan Ahmet), im Vordergrund den Bosporus.
Sonst gibts zu sehen: Hagia Sophia (erst Kirche, dann Moschee, dann dank Atatürk Museum), blaue Moschee, eine unterirdische Zitadelle, Topkapı (riesiger Sultanspalast),Dolmabahce (auch ein riesiger Sultanspalast, der Trend geht zum Zweitpalast) natürlich obligatorisch eine Bootsfahrt, Taksim mit der Strasse der Freiheit (grösste Einkaufs- und Amüsiermeile der İstanbulerİnnen und Touris, aber nachts auch grösster Strassenstrich İstanbuls.
Ausserdem waren wir in einem Hamam (Badehaus im orientalischen Stil). Früher natürlich nur den Maennern zugaenglich wurde dort bei 70 grad und 90% Luftfeuchtigkeit, bei Peeling und Massage Politik gemacht. Nach einem Besuch in solch einem Badehaus gibts ein Grund mehr, warum die EU in die Türkei sollte.
Ausserdem war grad Biennal in İstanbul. Zu vergleichen mit der documenta und aehnlich grossartig.

ansonsten beschaeftige ich mich grad mit der türkischen monumentalgeschichte des 19 und 20 Jhdt. Muss heute noch eine 3000 Worte- Arbeit abgeben (nichts mit schriftgrösse 12 und 1,5 Zeilenabstand)
gehabt euch wohl
Diana

Montag, 15. Oktober 2007

Diesmal kulinarisch

Gerade sitze ich in meiner neuen WG und kann auf ein Wochenende zurueckblicken, an dem ich viel geschlafen und noch mehr gegessen habe.
Am Freitag war ich bei Maria-Josè und ihrem Verlobten Juan-Pablo eingeladen. Er hat gekocht. Fuer Vegetarier, Fleischesser und Leute, die sonst irgendwie anstrengend sind. Und das sehr lecker. Fuer mich gab's mit Pilzen und Blauschimmelkaese gefuellte Zucchini, mit ueberbackenen Tomaten und Ofenkartoffeln. Ahhh...

Samstags haben wir dann Empanadas in der WG gemacht. Ebenfalls sehr lecker, wenn auch das Wettessen mit Lalo, meinem Mitbewohner 9 zu 11 fuer ihn ausgegangen ist... Aber jetzt bin ich bereit fuer den Montagsauflauf im Cafè Barfuss. (Vorsicht, Lisa und Christoph!!)









Und dann, nach den Empanadas:

Nun gut. Das Essen war jedenfalls sehr lecker. Nur hat sich danach eine akute Lustlosigkeit (flojera) ausgebreitet, wie selten davor. Dementsprechend war der Rest des Wochenendes ausgesprochen entspannend. Ein Einkauf auf dem Markt La Vega war das anstrengendste, was ich noch zu berichten weiss.
In meiner neuen WG fuehl ich mich jedenfalls wirklich wohl. Leider wird uns unsere einzige chilenische Mitbewohnerin aber bald verlassen. Daniela wird nach Neuseeland reisen. Die Wohnung hier behaelt sie aber und eine Freundin von ihr, wird sich um alles hier kuemmern.

Also: Wohnungssituation entspannt, Essen lecker und das Praktikum laeuft auch ganz gut.
Mehr demnaechst!

Mittwoch, 10. Oktober 2007

Umgezogen!

Gestern habe ich die dritte - und jetzt hoffentlich wirklich letzte - Wohnung in Santiago bezogen. Andererseits ziehe ich wohl nie wieder so leicht um, wie im Moment: Zwei Rucksaecke, Schlafsack und Tasche in ein Taxi geladen und dann auf einmal in den vierten Stock geschleppt, Einraeumen, fertig.
Aber der erste Tag hat sich schon mal gut angelassen. Abends hab ich mich mit Eduard (deutscher Architekturstudent) und Daniela (chilenische Architektin) zusammengesetzt und wir haben uns unterhalten und Tee getrunken.

Das Wochenende davor stand uebrigens ganz im Zeichen der Kultur. Freitags war ich mit Daniela (diesmal die aus meinem Projekt) zuerst in einer Tanzvorstellung. Die haben behauptet, es waere Ballet, aber es war eher Modern, hat mir jedenfalls ziemlich gut gefallen. Am Sonntag war ich dann in einer unglaublichen Vorstellung. Sie hiess "Sin Sangre" und war eine Mischung aus Theater, Kino und Comic. Gemacht war es unglaublich gut, aber die Kombination hat bewirkt, dass alles unwahrscheinlich kuenstlich wirkte. Ich bin noch immer nicht sicher, ob es mir gefallen hat.

Gruesse an alle!

Freitag, 5. Oktober 2007

wissen macht aahhh!

mal abgesehen von den sprachlichen Barrieren ist es natürlich auch von Vorteil wenn mensch seine ganzen Benutzerinnennamen und Passwörter kennt.
Ohne zu wissen was ich nun suche, hab ich nur 4 Wochen gebraucht diese jene welche rauszufinden.
für alle diejenigen denen ich es nicht geschafft habe persönlich zu schreiben nochmal ein kurzer Abriss der letzten 4 Wochen
anfang Sept: Ankunft, die ersten 2 Wochen viel organisieren, viel Erasmus, viel Sprachkurs und ein wenig reisen
die letzten 2 Wochen: noch mehr organisieren, immernoch Erasmus, Kurse auswaehlen, für Kurse registrieren, sich selbst registrieren (als haette ich einwandern wollen).
und nun: studieren, nach einer sehr gemaechlichen Start, stehn nun die Kurse fest, in ihnen stehn die Termine für midterms und finals fest, ausserdem Referat, essays etc. man kennt das ja-- und irgendwie auch wieder nicht, aber viell tut mir dieser ganze Zwang auch mal ganz gut und es bleibt ein bisschen was in meinem Kopf haengen.

apropo Zwaenge, die letzten 5 Geburtstage haette ich mir aıch gut schenken können. Da hatten Hanni und Nanni auf dem Maedcheninternat mehr Freiheiten.
Hier wird natürlich geschlechtergetrennt untergebracht. İch wohne in einem Wohnheim mit 3andern Maedels auf Kammer inkl. 2 Schreibtischen auf, naja 20qm. Die Maedels sind zwar alle sehr nett, aber eine steht immer ehern auf als ich und macht mich wach.
Ach ausserdem, die Kontrolle. wir müssen uns abmelden wenn wir übernacht woanders schşafen wollen (max 20x pro Halbjahr), ausserdem müssen wir um 12 zu hause sein, wer zu spaet kommt muss sich im die Verspaetungsliste eintragen. Seit neustem muss man zur Wohnheimleitung und Rechenschaft fürs zu spaet kommen ablegen. und..
um 6 geht eine durch die Zimmer und kontrolliert ob alle in ihren Betten liegen
mit Spass hat das ganze nichts zu tun.

nagut, zum Rest spaeter, einzelheiten sind ja irgendwie langweilig (obwohl erwaehnenswert)

Donnerstag, 4. Oktober 2007

Was sonst noch geschah...

Ihr habt hoffentlich noch keine Vermisstenanzeige fuer mich aufgegeben! Ich musste einiges regeln, in letzter Zeit. Vor nicht ganz drei Wochen bin ich ja mit Dominique zusammen in eine Wohnung gezogen. Dienstag werde ich wieder ausziehen. Warum? Das waere eine zu lange Geschichte, zusammengefasst: Schwerwiegende Probleme mit Dominique. Dementsprechend hatte ich schon angenehmere Wochen, als die letzte. Andererseits habe ich auch wirklich viel Unterstuetzung bekommen. Per e-mail aus Deutschland (ein dickes Dankeschoen dafuer!!) und hier vor Ort von Freund_innen. Im Institut haben sich alle sehr gekuemmert und Freundinnen haben ihren kompletten Freundeskreis mobilisiert um ein Zimmer zu finden.Trotz aller Mobilisation hab ich jetzt ein Zimmer in einer Wohnung, die mir ueber eine Organisation fuer Auslaender_innen vermittelt wurde. (Mehr Sicherheit fuer ein erhoehtes momentanes Sicherheitsbeduerftnis.) Ich werde mit einer chilenischen Architektin (Daniela) und anderen Deutschen, die ich noch nicht kenne zusammenwohnen. Nach Danielas Erzaehlung aber alle sehr nett und sehr ruhig, was mir gerade sehr gut passt. Heute hab ich also das Gefuehl, mein Leben hier wieder ein bisschen besser geregelt zu haben und bin bereit fuer neue Abenteuer. (Moment, das muss ich nochmal ueberdenken: Nein, Abenteuer reichen erstmal.)

Was sonst noch passierte: Am Mittwoch gab es eine Demonstration fuer das Recht auf therapeutische Abtreibung. Das heisst, wenn Frauen vergewaltigt wurden, ihr Leben in Gefahr ist oder das Kind eindeutig nicht lebensfaehig ist. Momentan ist das alles illegal. (Ja-ha, die zwingen hier Frauen dazu ein Kind neun Monate lang auszutragen und dann auf "natuerlichem Wege zur Welt zu bringen, auch wenn es keinen Kopf hat. Und da soll man nicht Feministin werden?) Teilnehmen durfte ich nicht (Verbot meiner Chefin, weil ich mit meinem Visum sonst sofort zurueckgeschickt werden koennte.) aber Fotos machen konnte ich:
Auf dem zweiten seht ihr Daniela (links) und Maria José. Mit den beiden mache ich das Projekt im Institut.

Ausserdem hab ich einer Freundin geholfen umzuziehen. Ja, grosse Zeit der Umzuege...
Die Katze hat nicht geholfen. Nicht sehen koennt ihr, dass das erst die erste Haelfte der Sachen war, dass die Wohnung im vierten Stock eines Hauses ohne Aufzug war und dass wir nur zu dritt waren.
Ansonsten gibt es noch zwei Impressionen von Santiago und die Frage "Wer ist Kalle und warum gehoert er uns?" (Auch zu diskutieren, warum ist er weiblich? Meine Interpretationen dazu beim naechsten Mal.)

Montag, 17. September 2007

Technisches und so

Hallo ihr Lieben alle,

kurze technische Sache: Nachdem jetzt auch die liebe Marie den Blog nutzt (juhu!) und es vielleicht etwas unuebersichtlich ist, gibt es "Labels". Ihr koennt einfach links auf den entsprechenden Namen klicken und es erscheinen nur die Beitraege der betreffenden Person.

So, ansonsten bin ich umgezogen und wohne jetzt - wieder mit Dominique- in einer Wohnung, die billiger, jugendlicher ist und eine Terasse, aber weder Telefon noch Internet hat. Das ist aber weniger schlimm, da hier die Internetcafès echt bezahlbar sind und ich einfach etwas Zeit im Buero mit E-mail-Schreiben verbringen kann. Nur Telefonieren wird komplizierter.

Momentan herrscht hier uebrigens der Ausnahmezustand. Morgen ist hier naemlich Nationalfeiertag (fiestas patrias) und uebermorgen ein anderes Fest (gehoert aber auch zu den fiestas patrias). Und weil es sich dann gar nicht lohnt, montags zu arbeiten tut das auch keiner. Und dann hat man das Wochenende davor, da ist arbeiten auch nicht so spannend. Also ruht Santiago seit Freitag Nachmittag. Zudem hat etwa die Haelfte der Bevoelkerung sich aufgemacht und ist in den Urlaub gefahren, was den Eindruck einer verlassenen Stadt noch verstaerkt. Es gibt kaum Leute auf der Strasse und ausser ein paar Cafès und Supermaerkten haben alle Laeden geschlossen.

Dafuer gibt es viele Feten. Gestern waren wir - ich mit den zwei Maedels aus meinem Projekt und einigen Freund_innen von ihnen - in einer Fonda. Das ist so etwa wie Kirmes/Dult/weiss nicht, wie man das ausserhalb Bayerns nennt. Jedenfalls gibt es viele Bierzelte, Alkohol, Fleisch und Tanz. Wenn ihr euch jetzt fragt, was ich dort mache: Mich mit den anderen ueber die Preise (7000 CLP, etwa 9€ fuer den Liter Bier) aufgeregen, unterhalten und ich hab tatsaechlich ein vegetarisches Sandwich gefunden!
Der Alkohol spielt bei den Fiestas Patrias im Uebrigen eine ausnehmend grosse Rolle, weswegen fast alle furchtbar betrunken sind und das den ganzen Tag ueber.
Irgendwann werd ich den Cueca, den chilenischen Nationaltanz lernen. Auch wenn ich gestern darueber aufgeklaert wurde, dass der erst unter der Diktatur Pinochets als Nationaltanz etabliert wurde, um ein Gemeinschaftsgefuehl zu schaffen...

Uebermorgen gibt es noch einen grossen Militaermarsch. Da kommen alle Soldaten aus ganz Chile und sie latschen ueber einen Betonplatz. Da kommt alles, was die so haben, vom Panzer bis zur Hundestaffel der Polizei. Ihr kennt ja alle meine Vorliebe fuer's Militaer... Aber vielleicht schau ich mir das trotzdem an, koennte spannend sein.

Ich werde weiterhin berichten.

Samstag, 15. September 2007

Bonjour

Salut mes chères!

So, bin jetzt auch gut in Bordeaux angekommen und habe mich weitgehend akklimatisiert! Wollte auch schon eher schreiben, aber das I-net in meiner WG funzt grad net und ich hatte die letzten Tag andere Sorgen als mich zu einem Cybercafé durchzufragen. Nun sitz ich beim McDo gegenüber, wo man – so erfuhr ich just – kostenlos die digitale Datenautobahn befahren kann :-)
Bordeaux ist für mich nach wie vor eine wirklich wunderschöne Stadt. Mein Eindruck vom März diesen Jahres hat sich in vollem Umfang bestätigt. Ich kann mich kaum satt sehen. Bin die letzten Tage häufig einfach stundenlang sinnlos herumflaniert und muss wirklich sagen: „Ca me plait beaucoup ici!
Im Moment haben wir hier auch großartiges Wetter (auf wenn ich da mit Chile und der Türkei sicherlich nicht konkurrieren kann ;-) aber jeden Tag 28 Grad und Sonnenschein…daran könnt ich mich schon gewöhnen.
So jetzt zu den praktischen Dingen. Organisatorisch hat bei der Reise alles prima funktioniert. Keine Verspätungen, keine verlorenen Gepäckstücke. Am Rande hier ein kleiner Tipp: Auf Anraten meiner Großeltern habe ich den Löwenanteil meiner Sachen mit dem Hermesversand nach Bordeaux geschickt. Es hat sicher herausgestellt, dass dies eine relativ günstige und sehr unkomplizierte Weise ist, sein Gepäck auch ins Ausland zu liefern. Kann ich nur weiterempfehlen! Ist auf jeden Fall billiger, als am Flughafen Übergewicht beim Gepäck nachzuzahlen. Das kostet pro Kilo tatsächlich 12 Eusen!!! Naja, aber darauf will ich jetzt nicht genauer eingehen…
Mein Zimmer gefällt mir super gut! Besonders seit ich mir eine Art „Marburg-Gedächtnis-Foto-Wand“ eingerichtet hab, damit ich Euch „sehen“ kann, wann ich will *g*. Die Mädels aus meiner WG haben mir auch so viel Stress abgenommen. Mein Zimmer war im Prinzip komplett eingerichtet. Sogar nen Fernseher, Handtücher und Bettwäsche, sowie Stadtpläne haben sie mir hingelegt. Echt unglaublich! Was ich noch immer nicht glauben kann, ist, dass ich mein eigenes Badezimmer habe, voll krass. Dreier-WG, 3 Badezimmer (die spinnen die Franzosen, hi hi).
Am Donnerstag war dann der große Tag: Begrüßung der ErasmusstudentInnen an der Uni (petit déjeuner) und Einstufungstest. Die Uni finde ich klasse. Sie ist total klein (Ein Gebäude!) da sie wirklich nur für Politikwissenschaft ist. Die Begrüßung allerdings war ein auch ein bissl einschüchternd, weil uns über 2 Stunden erzählt wurde, wie toll diese Uni ist, wie glücklich wir und schätzen dürfen hier ein Jahr studieren zu dürfen und wie hart die Auswahlverfahren, die die Einheimischen absolvieren müssen eigentlich sind…
Der Einstufungstest war auch super schwer. Hab mich gefühlt, als ob ich noch nie im Leben Französisch gesprochen hätte – einziger Trost: es ging wirklich allen so, also haben wir uns darauf geeinigt, dass das natürlich nicht an uns lag (hi, hi) und der Test ganz einfach nur viel zu krass war ;-).
Frankreich ist sehr, sehr teuer!!! Um zu verdeutlichen, wie teuer sei einmal folgender Vergleich zwischen deutschen und Bordelaisen Verhältnissen angeführt: Wir haben den „Ein Euro Shop“, sie haben (ta, ta, ta, taaaa) richtig den „Zwei Euro Shop“. Dieses Beispiel erweist sich leider auch in Bezug auf die meisten anderen Produkte als repräsentativ (inklusive Lebensmitttel). Wenn ich hier billig einkaufen will, geh ich zu „Auchon“ eine Kette, die in etwa preislich mit unserem neuen Rewe am Erlenring gleichzieht. Tatsächlich wurde mir von Einheimischen gesagt, dass Auchon die billigste Einkaufsmöglichkeit in der Stadt sei. Naja aber es kursiert unter den ErasmusstudentInnen noch das Gerücht, dass es irgendwo in der Peripherie (fast am außerhalb liegenden Flughafen) einen Lidl geben soll.
Studiengebühren werden hier nicht gezahlt. Dafür gibt es jedoch auch kein Semesterticket! Das ist auch so ein Kostenpunkt, den ich einfach nicht einkalkuliert hatte und um meinen Bibliotheksausweis zu erhalten, muss ich eine Kaution von 80€ hinterlegen.
So, aber jetzt genug von den ohnehin unabänderlichen Preisen...
Sehr positiv aufgefallen ist mir, dass es hier eine unglaublich breite alternative Szene zu geben scheint, was immer genau ich auch damit meine *g*. Aufgefallen ist mir einfach, dass ich bislang kaum „Schicksen“ gesehen hab, überall Jugendliche mit Instrumenten sitzen und was mir besonders gut gefällt: Hier spielen sie alle Pois :-))) Kann mir hier überall Tricks abgucken, juhu. Werde nachher erstmal zum Fluss gehen und mitspielen, hi hi. Ansonsten bin ich bis Sonntag leider noch ziemlich alleine hier. Das kotzt mich ein bissl an… Meine Mitbewohnerinnen kommen erst Sonntag und überhaupt sind die meisten StudentInnen noch irgendwo en vacances. Ein Erasmusprogramm, wird erst ab dem 23. Sept. angeboten. Am Donnerstag, als wir alle zusammen gefrühstückt haben, war mir das noch nicht klar, dachte ich seh die Erasmusleuts morgen wieder, deshalb hab ich mir keine Telefonnr. besorgt und bin auch schnell nach dem Einstufungstest abgehauen, weil ich noch immer krank bin und unbedingt pennen wollte. Naja, aber das wird schon mit dem Kontakt, denk ich. Irina hab ich natürlich auch wieder getroffen. Ihr geht’s übrigens auch gut! Am Montag seh ich sie wieder (am WE ist sie in Russland auf ner Hochzeit), dann frag ich sie mal direkt, ob sie nicht Lust hat ebenfalls in diesem großartigen Block zu schreiben! Sie hat auch eine schöne WG in der Innenstadt gefunden und scheint zwar gestresst aber auch glücklich :-). Ihr seht also um uns muss man sich wirklich keine Sorgen machen, hi, hi.
Ich hoffe bei Euch läuft auch alles gut! Auf ein erfolgreiches und inspirierendes Jahr! Vive Erasmus! Vive la France! Gros Bisou à vous tous et

À bientôt!

Marie

Montag, 10. September 2007

Mehr innere Handlung

Dass ich gesagt habe, dass es keinen Anlass fuer einen Kulturschock gibt, war vielleicht etwas vorschnell. Man muss ihn nur etwas suchen. Die Rahmenbedingungen sind tatsaechlich erstaunlich aehnlich. Es stimmt zum Beispiel, dass mein Praktikum auch so in Deutschland stattfinden koennte. (Fuer die Nichtbayer_innen: Stellt euch vor, ihr wuerdet ein Praktikum im Sueden des Landes machen, dann kaeme auch das mit der Sprache hin:-) Gerade sind wir dabei eine Forschungsfrage zu entwickeln, anhand derer wird dann methodisch qualitativ eine Untersuchung durchfuehren. (Fuer die Nichtakademiker_innen: Man braucht erstmal eine genaue Frage oder These, um weitere Fragen stellen zu koennen. Beispielsweise wird unsere Forschungsfrage vielleicht lauten: Haben aeltere Frauen in Chile eine andere Vorstellung von politischer Partizipation als juengere Frauen? Danach kann man die Frauen zum Beispiel fragen, ob sie sich vorstellen koennen, politisch aktiv zu sein und wenn ja, wo. Eher in Posten, die Aussichten auf Machtpositionen garantieren, oder eher in regionalen Bewegungen, die sich auf die Verbesserung der eigenen Umwelt beschraenken. Achja und qualitative Methoden sind nicht ganz so langweilig, wie quantitative.)

Vielleicht ist "Kulturschock" auch die falsche Kategorie. Irgendwie klingt das so nach "meine Kultur ist die normale und die anderen sind alle komisch". Das trifft es aber nicht. Es sind halt andere Lebenshintergruende und andere Sachen sind "normal". Ein Beispiel aus dem feministischen Leben hier: Gestern Abend gab es ein langes Gespraech in der Kueche. Hauptsaechlich haben Dominique und Carmen (nicht ich, meine Chefin) geredet. Wobei Carmen etwas muetterlich versucht hat, Dominique zu erklaeren, dass sie ihr Leben mal ein bisschen ordnen muesste. Dabei war ein grosses Thema, die Benutzung von Kondomen. Im Gegensatz zu One-Night-Stands sind die hier naemlich nicht ueblich. Carmen hat also im Verlaufe des Gespraechs versucht, ein Bewusstsein fuer die Probleme zu schaffen und Dominique eingebleut, dass sie auch "nein" sagen darf, wenn der Typ kein Kondom benutzen will.
Das ist hier echt so ne Sache. Alle Leute, die etwas alternativer sind, lehnen die guten alten romantischen Zweierbeziehungen ab, oder ueberbruecken die Zeit bis zur naechsten. Dabei sind die Maenner aber die "Eroberer" und die Frauen die "Beute". Das Schema ist festgelegt und als Frau bist du entweder nicht alternativ oder komisch, wenn du da nicht mitmachst. Dass fuehrt im uebrigen auch dazu, dass sich die Frauen hier wirklich rechtfertigen muessen, wenn sie nicht wollen. "Willst du mit mir kommen?" - "Nein." - "Warum nicht?" - "Hab keine Lust." - "Warum hast du keine Lust?" Und so weiter.

Andererseits hatten die beiden bei dem Gespraech gestern Abend keinerlei Probleme damit auch Faktoren wie Sternzeichen und Schicksal mit einzubeziehen. Das hab ich naemlich auch schon gelernt hier: Wahrsagen, Sternzeichen, Kartenlegen, Sachen auspendeln wird hier, halb im Spass, halb im Ernst betrieben. Irgendwann muss ich mir auch mal die Zukunft voraussagen lassen.

Und noch ein Paradebeispiel zum Thema konstruierte Realitaeten: In den ersten Wochen hier, hab ich mich gefuehlt und anscheinend auch verhalten, als waere ich gerade mal 16 Jahre alt. Ich haette mich vielleicht wirklich besser auf diese Reise vorbereiten sollen, so hab ich halt auf die praktische Art erfahren, was man hier machen kann und was besser nicht. Weil ich aber nicht wusste, was hier "normal" ist und was mich in ernste Schwierigkeiten bringen kann, war ich bei allem hypervorsichtig und habe ich mich gefuehlt, als braeuchte ich fuer alles Hilfe. Es war etwas einschuechternd, dass die Individualdistanz hier geringer ist, weswegen alle Menschen physisch so nah sind. Ausserdem konnte ich im ersten Monat wirklich wenig sprechen. Jedenfalls war ich unsicher und hab wohl auch falsche Signale gesendet. Denn es ist unwahrscheinlich, wie anders sich Menschen verhalten, wenn man sich selbst anders verhaelt. Ich weiss, dass ich jetzt selbstbewusster auftrete. Dementsprechend versuchen Leute nicht mehr die Verantwortung fuer mich zu uebernehmen. Das heisst, Dominique laesst mich auch mal Sachen alleine machen, Carmen spricht mehr mit mir (und mehr wie mit einer Erwachsenen) und die Machos rufen mir nicht mehr auf der Strasse hinterher, dass ich herzlich eingeladen bin, mit ihnen zu kommen. Konstruktivismus hautnah: Du konstruierst dir deine Realitaet, die von den anderen Menschen bestaetig wird, weil sie auf dich reagieren.

So, jetzt hab ich aber genuegend rumphilosophiert. Die Erkenntnisse sind wohl auch nicht die neusten, aber spannend, wenn man das selbst erfaehrt.

Sonntag, 2. September 2007

Machos, Faschos und sonstige Sympathen

Vor einem Monat haben Lore und Marie mich zum Flughafen gebracht. Zeit ein umfassendes, langweiliges Resuemee zu ziehen. STOPP! War nur ein Witz, weiterlesen, es kommen spannende Geschichten.

Zum Beispiel war da der 29.08. Zur besseren Vorstellung, das ist ungefaehr wie der erste Mai in Berlin. Viel Polizei, viele Demonstrant_innen und viel Fetz auf den Strassen. Auf dem Heimweg von der Arbeit hab ich gelernt, dass Traenengas ziemlich lange in der Luft bleibt. Die Demo war naemlich schon weg, der wuerzige und reizende Geruch war allerdings noch da, wie ich feststellte, nachdem ich mich gewundert hatte, warum alle Leute sich Tuecher vor die Nasen hielten. Ansonsten hab ich mich mangels Demobezugsgruppe (OTTE WO SEID IHR?) da rausgehalten. Ist irgendwie nicht so prickelnd, wenn die Polizisten ihre Schlagstoecke ziehen und man nicht versteht, was die Leute so sagen.

Das Wochenende dagegen war mit relativ wenig Politik, dafuer ziemlich viel Party und Kunst verbunden.
Ich hab mich naemlich mit den Freunden von René getroffen, die alle wirklich ziemlich nett sind. (@ René: Du haettest mich allerdings vorwarnen koennen, dass das alles Skater und Hiphopper sind...) Viel ueber den gemeinsamen Freund und Exmitbewohner konnten wir allerdings nicht reden, weil wir in einer Disko waren. Mit viel HipHop. Hm, nicht gerade meine Musikrichtung, hab aber - aus purem Trotz trotzdem getanzt. Erwaehnenswert ist hier noch ein Gespraech mit einem richtigen Macho, dass ich im Folgenden annaehernd woertlich wiedergeben werde:
Er: "Was machst du so?"
Ich: "Ich mache ein Praktikum in einer Organisation fuer Frauenrechte."
Er: "Bist du Feministin?"
Ich: "Hm, ja."
Er: "Aha, also ich denke, dass ist schon in Ordnung so, aber am Ende braucht jede Frau einen Mann, um Frau sein zu koennen. Das ist einfach biologisch so."
Aeh, ja, danke.

Neben Machos hab ich auch noch Faschos gesehen. Das war so: Ich sass mit Dominique in "Patagonia", einer sehr netten Bar, gleich neben unserem Haus. Der Abend war warm, weswegen wir einen Tisch unter freiem Himmel vorzogen. Ploetzlich lief ein Punk an uns vorbei, der eine Tasche - offensichtlich erst seit wenigen Augenblicken in seinem Besitz - an sich gedrueckt hatte. Kurz darauf kam der fruehere Besitzer der Tasche mit einigen Freunden angerannt. Insgesamt hatte diese Prozession wenige Haare, dafuer hochgeschnuerte Schuhe. Einen Augenblick spaeter kam die Fascho-Fraktion zurueck. Ohne Tasche, was hoffentlich bedeutet, dass der mutige und ziemlich dumme Dieb auch heute noch bei guter Gesundheit ist. Sie wirkten leicht frustriert und begannen, wohl um nicht untaetig zu sein "Sieg heil!" zur rufen. Ich muss etwas bleich geworden sein, denn Dominique fragte, was die da gerade gesagt haben.
Neben "Sieg heil" hab ich heute auch noch "Heil Hitler" gehoert, womit ein komischer Mann mich auf dem Plaza de Armas beleidigen wollte, als ich ihm weder Geld geben, noch seine Telefonnummer haben oder mit ihm nach Hause gehen wollte.

Damit ihr jetzt aber nicht denkt, dass hier gerade alles ganz furchtbar ist, noch ein paar angenehmere Geschichten:
Gestern habe ich mich mit Viviana getroffen, mit ihr werde ich einen Sprachaustausch machen. Die ist toll. Wir haben uns ungefaehr zwei Stunden wirklich gut unterhalten. Sie ist Schauspielerin und - wie ich am gleichen Abend festgestellt habe - eine ausgesprochen gute. Auf ihre Einladung hin, hab ich mir naemlich das Stueck angesehen, dass sie gerade auffuehren. Ziemlich experimentell und echt super. Ich hab sogar die grobe Handlung und einige Witze verstanden. Es ging um vier Leute, die ein Plagiat begehen und ein fremdes Stueck klauen. In der Folge kommt es zu ziemlichem Streit in der Gruppe, auch weil irgendwelche Leute in andere Leute verliebt waren und so, da hab ich nicht viel verstanden. Was sehr lustig war, war wie sie mit mathematischen Formeln das Geheimnis der Dramaturgie erklaert haben. Ausserdem haben sie noch gesellschafts- und medienkritische Elemente eingebaut. War wirklich toll.

Auch nett, aber etwas schwieriger in der Konversation war Juan, mit dem ich mich heute getroffen habe. Das ist ein Peruaner, den ich im Auslaender_innenbuero kennengelernt habe. Und nachdem ich versprochen hatte, nur eine Stunde wegzubleiben, durfte ich auch gehen. Laut Dominique sind naemlich alle Peruaner Luegner, Diebe und Machos. Ich hab ihr natuerlich gleich an den Kopf geworfen, dass sie Vorurteile hat. Nun gut. Zu der Person von Juan ist zu sagen, dass er definitiv keines der drei Kriterien von Dominique erfuellt. Wird aber vielleicht noch, er ist naemlich auch erst 20. In Chile ist er erst seit kurzem und hat keine Freunde hier, was wohl hauptsaechlich daran liegt, dass er an 6 Tagen in der Woche 10 Stunden in einem Supermarkt arbeitet. (Eine Tatsache, bei der Dominique beinahe aus dem Fenster gesprungen waere.) Und schwierig war die Konversation, weil er anscheinend auch keine Hobbies oder Interessen hat. So gesehen, war es auch nicht so schlimm, dass ich mich nach einer Stunde schon wieder verabschiedet habe. Naja. Witzig daran fand ich eigentlich eher, dass ich hier in Chile schon Erfahrungen mit Dieben (Taxifahrer am Anfang) und Machos (siehe oben und diverse, weniger spektakulaere Erfahrungen) gemacht habe und der Peruaner, vor dem ich ganz fest gewarnt wurde, sich als wirlich unbedrohlich entpuppt hatte. Alle verrueckt. Auf der ganzen Welt.

Zum Abschluss noch kurze News aus der Arbeit: Am Freitag gab es ein Treffen mit meiner neuen Projektgruppe. Wir werden zum Thema "Politische Partizipation junger Chileninnen" eine Untersuchung durchfuehren. Genaueres weiss ich noch nicht, in der naechsten Woche werden wir Texte lesen und das Thema weiter eingrenzen. Aber alle waren hoch motiviert und ich glaube, das wird wirklich lustig.
Also, kein Zettelordnen mit Freddie (dem Menschen, nicht dem Stein) und Silvia mehr.

Herzliche Gruesse an alle, die es geschafft haben, das hier bis zum Ende zu lesen. Ich hoffe, die Laenge der Eintraege sprengt noch nicht den Rahmen des Ertraeglichen und die Ausschnitte aus meinem Leben in Chile langweilen euch nicht zu Tode.

Dienstag, 28. August 2007

Freddy

Ihr habt euch sicherlich schon gedacht, dass auf diesem Blog irgendwie noch eine kranke Sache fehlt. Irgendwas komisches halt. Hm, nein? Naja, hier ist es jedenfalls: Ich gebe zu, ich reise gar nicht alleine. Mich begleitet Freddy Piedra-Stein. Wer das ist? Hier habt ihr einige Bilder von ihm:
Hier ist Freddy in der Kueche des Wohnheims. Er hat Fernweh.
Freddy und sein bester Freund, der Dreckklumpen, der auf einmal in Maries und meinem Kuechenfach aufgetaucht ist.
Hier ist Freddy in seinem neuen Zuhause: In meinem Schrank in Chile.
Er hat auch in Chile schnell viele neue Freunde gefunden.
Zum Beispiel die gruseligen Katholiken auf unserem Wohnzimmertisch. Sie sehen einen alle an, wenn man da sitzt!
Sinnvolle Beitraege folgen in Kuerze wieder, aber von Freddy werdet ihr noch hoeren.

Sonntag, 26. August 2007

Buerokratie, Zettelordnen und besetzte Haeuser

Diese Woche begann ruhig und endete spannend.
Fuer mein Praktikum sortiere ich im Moment alte, staubige Rechnungen nach Monaten, weil mein eigentliches Projekt gerade verschoben wurde. Uebergangsweise ist das auch ganz nett, weil ich mich mit Freddie, dem Hausmeister und Silvia der Sekretaerin unterhalten kann und dabei etwas mehr chilenisch verstehen lerne.
Am Freitag hab ich nicht gearbeitet, sondern mir einen anderen Spass gegoennt: Chilenische Buerokratie. Sehr witzig. Ich bin den ganzen Tag durch die Stadt gelaufen um Unterschriften zu sammeln, anzustehen, Formulare auszufuellen, anzustehen, Sachen zu kopieren, anzustehen und so weiter.
Bei der letzten Anlaufstelle haben sie dann noch alle meine Fingerabdruecke genommen. Wenn ich also jetzt ein Verbrechen hier begehen will, werde ich mir vorher Handschuhe kaufen muessen.
Gestern wurde ich nachts spontan zu einer Party eingeladen, die dann ebenso spontan ausgefallen war, bis ich da war, weil die Polizei erklaert hat, dass das zu laut waere. Dafuer hab ich mich dann stundenlang mit Philippe unterhalten, einem politischen Aktivisten. Dabei hab ich viel ueber die Geschichte Chiles, die Leute und alternative Projekte erfahren. Zum Beispiel ueber ein Netzwerk von ungefaehr hundert besetzten Haeusern, die alle unterschiedliche Sachen machen, von Bildungsnetzwerken bis zu Komunen.

Vorerst werd ich mein Zimmer hier aber nicht kuendigen um einen alternativen Lebensweg zu waehlen;-)
Lasst es euch gutgehen.

Samstag, 18. August 2007

Bilder und Partyerfahrungen






Hier sind sie nun endlich, die lange versprochenen Bilder. Spektakulaer sind sie vielleicht nicht, also keine Party-Bilder oder so, aber immerhin zeigen sie die schoeneren Seiten von Santiago.
Apropos Party: Gestern waren Dominique und ich jetzt endlich richtig zusammen aus. Zuerst gemuetlich in einer Bar und dann tanzen in einem Club. Wir sind kostenlos reingekommen, weil Dominique die Leute dort alle kennt. Die Musik ging von guter Rockbar-Musik bis zu Liedern und Versionen von Liedern, die man vielleicht in der 5ten Klasse im Skilager spielt (jaja, das ist jetzt natuerlich nur meine boshafte Unterstellung und andere Leute hoeren diese Musik gerne). Alles in Allem ziemlich durchmischt. Aber lustig war es auf jeden Fall. Ich wurde auch oft angesprochen und zwar immer auf Englisch - ich fuehlte mich diskriminiert und hab nur auf spanisch geantwortet, was zur allgemeinen Belustigung beitrug. Mein Spanisch muss wirklich grottig sein. Am Ende des Abends sind dann alle Leute paarweise heimgegangen. Chilenen koennen da sehr offen sein, auch was entsprechende Angebote anbelangt. Aber darauf geh ich jetzt mal nicht naeher ein. Ich hab mich dann von Dominique heimbringen lassen, bevor sie mit ihrer neuen Bekanntschaft weitergezogen ist. (Also, liebe Eltern: Eure Tochter ist so unglaublich brav... Ihr glaubt es nicht!)

Ich hab mich jedenfalls koestlich amuesiert, aber Leute sollte ich wohl doch anders kennenlernen.

Donnerstag, 16. August 2007

Lebe noch!

Nur eine kurze Entwarnung: Das Erdbeben gestern ist in Santiago gar nicht angekommen. Ich hab erst aus den Nachrichten davon erfahren. Macht euch also keine Sorgen.

Sonntag, 12. August 2007

Ein Hoch auf das vegetarische Essen!

Erstmal an alle, die behauptet haben, es waere schwer als Vegetarier_in in Chile zu ueberleben: Hah! Ihr habt ja keine Ahnung. Empanadas gibt es auch mit Kaese oder Spinat.
Und heute war ich mit Vero auf einem Markt, Junge. Es gab so unglaublich viel Gemuese und Obst. Und ich hab fuer etwa 15 Euro so viel davon kaufen koennen, dass es Dominique und mich locker ueber die naechste Woche bringen wird. Hah!

Aber jetzt lass ich euch mal fuer die naechsten Tage mit Eintraegen in Ruhe.

Samstag, 11. August 2007

Impressionen und Erfahrungen

1. Drinnen ist es immer mindestens 5 Grad kaelter als draussen. Momentan eher 10.
2. Hier wachsen Pflanzen draussen, die bei uns meistens nur Bueros zieren. Oder zu der Ansammlung seltsamer Pflanzen gehoeren, die in Maries und meinem Zimmer standen.
3. Santiago hat schoene Seiten. Zum Beispiel das Barrio Bellavista, in dem ich heute war. Viele bunte Haeuser. Ich werd noch Fotos online stellen, versprochen.
4. Santiago ist ansonsten ziemlich dreckig und hat viele Baustellen. Mit den Bergen im Hintergrund ist es ein bisschen so wie wenn Berlin in Oesterreich waere.
5. Die Leute sprechen auch so wie die Oesterreicher, haben eigene Woerter fuer unterschiedliche Sachen und eine voellig andere Aussprache.

Persoenlich:
1. Die Wohnung, in der ich wohne, liegt absolut zentral.
2. Ich verstehe mehr von den Sachen, die die Leute hier so sagen als vor einer Woche.
3. Die wollten mich dazu bringen, meine Tasche auf einer anstaendigen Hoehe zu tragen! Jetzt hab ich meine Wertgegenstaende in den Hosentaschen und die Tasche weiterhin auf Kniehoehe.
4. Es ist kalt hier drinnen. Die Gasoefen explodieren aber anscheinend wirklich nicht so leicht.
5. Ich vermisse es ein bisschen abends auszugehen, kenne aber noch niemanden, mit dem ich das machen koennte und alleine ist doof und dazu kenn ich mich noch nicht genug aus. Irgendwann geh ich mit Dominique, meiner Mitbewohnerin weg. Aber die ist etwas verrueckt (wenn auch sehr sympatisch) und ich rechne damit, den Weg zurueck alleine finden zu muessen.
6. Ausserdem brauche ich jemanden, mit dem ich das Kaefer-Enten-Spiel spielen kann!

So, das war´s erstmal wieder. Gehabt euch wohl.

Dienstag, 7. August 2007

Erster Arbeitstag

Zuerstmal: Santiago ist wirklich schoen. Wenn der Smog es zulaesst, kann man die Anden im Hintergrund sehen. Ausserdem ist die Strasse, in der das Instituto de la mujer ist, ganz toll.
Aber es ist kalt. Hm, klar, hier ist Winter. Das waere ja auch kein Problem, aber Zentralheizungen sind hier unbekannt. Geheizt wird mit portablen Gasoefen, an denen eine grosse Gasflasche befestigt ist. Fuer mich, die ich nicht mal gewohnt bin, mit einem Gasherd umzugehen, sehen die Dinger immer so aus, als wuerden sie jeden Moment in die Luft gehen. Aber das ist noch nicht passiert.

Nun, der erste Arbeitstag: Eigentlich gab es ja die besten Voraussetzungen: Meine Chefin ist in Ecuador und mein Projekt startet mit zwei Studentinnen und einer anderen Frau aus dem Instituto. Hm, letztere hatte mir allerdings schon mitgeteilt, dass ich es schwer haben werde, auf spanisch zu arbeiten. Dementsprechend hat sie sich im gestrigen dreistuendigen Gespraech mit mir und den zwei Studentinnen keine besondere Muehe gegeben, langsam zu sprechen oder ihren Akzent etwas einzuschraenken. An dieser Stelle moechte ich euch alle dazu auffordern einen kurzen Moment innezuhalten und an die armen Leute zu denken, die als Auslaender_innen nach Bayern kommen...

Abends hab ich dann aber die Nichte meiner Chefin getroffen, die wirklich sehr nett ist. Mit der hab ich mich ziemlich gut unterhalten koennen.
Achja, was waere das Leben ohne den Silberstreifen am Horizont?

Freitag, 3. August 2007

Angekommen

Hallo ihr Lieben alle,

also, nach 26 Stunden Fahrt (grob geschaetzt) bin ich jetzt in Chile angekommen. Ich sitze in meinem Zimmer und versuche mit der spanischen Tastatur klar zu kommen.

Abenteuer bis jetzt:
Drei Stunden Kontrolle in Atlanta und Verabschiedung des Beamtens mit "Have a nice trip, young lady." Achja, die Suedstaaten. Und:
Ich hab mich bei der Taxifahrt vom Flughafen bis hierher ordentlich ueber's Ohr hauen lassen. Wollte dann aber mit dem Typen auch nicht diskutieren und riskieren, dass ich mein Geld zwar nicht zurueck bekomme, dafuer aber vor irgendeiner Wellblechhuette ausgesetzt werde.

Jetzt geh ich schlafen, damit ich fit bin, wenn ich in zwei Stunden die Leute aus der Fundación Instituto de la Mujer vorgestellt bekomme.

Montag, 30. Juli 2007

Drei Tage vor dem Abflug

Noch bin ich im schönen, nassen und kalten Deutschland, aber in drei Tagen um diese Uhrzeit werde ich hoffentlich im Flieger sitzen.
Die Vorbereitungen sind eigentlich abgeschlossen. Nun gut, packen werd ich wohl erst am Vorabend oder so. Aber ich habe ein Visum und eine Anlaufstelle in Chile: Meine Praktikumschefin hat mir ein Zimmer in ihrer Wohnung angeboten. Ich bin ja mal gespannt.

Mein Bruder ist inzwischen auch verheiratet. Eine schöne - leicht stressige Hochzeit. Naja, ich werd wohl nicht mehr in die Verlegenheit kommen, das informelle Programm einer Hochzeit koordinieren zu müssen. Aber es war sehr lustig. Nachdem das Brautpaar sich verabschiedet hatte, sind die Band (Benny und co, sehr großartig im Übrigen) und noch ein paar Leute zum Haus der Brauteltern aufgebrochen und haben dort den Abend eher gemütlich ausklingen lassen. Obwohl die Bandmitglieder anderes versprochen hatten.
Bis 6.00 oder 7.00 saßen wir rum und ignorierten den ersten Hahn konsequent (den zweiten und dritten auch). Dabei haben wir übrigens eine spannende Frage aufgeworfen, aber nicht mehr klären können: Wie stirbt eigentlich Romeo? Spekulationen zu Folge vergiftet er sich. Aber dann bleibt die Frage, woher hat er Gift?
Vielleicht fühlt sich jemand von euch ja kompetent die Frage zu beantworten. Oder hat Lust das einfach nachzulesen.

So, das war's für's erste.

Macht es gut!

Dienstag, 10. Juli 2007

ich glaub ich bin drin
Hallo lieber Leser, liebe Leserin,
dieses elektronische Tagebuch ist der Versuch nervige Rundmails zu vermeiden.
Der Plan: Wenn ich ins Ausland gehe, schicke ich nicht jeden zweiten Tag eine seitenlange Blitzpost, sondern schreibe ab und an mal was in mein öffentliches Tagebuch. Aber natürlich freue ich mich, wenn ihr, meine lieben Freunde und Freundinnen mir Onlinepost schickt und werde die gerne beantworten!
Außerdem werde ich hoffentlich nicht die einzige sein, die hier etwas schreibt. Andere Autor_innen sind schon eingeladen.

Losgehen wird meine Reise übrigens am 02.08.07. Der Flieger wird mich um 11.35 Uhr aus Frankfurt in das ferne Chile bringen.
Stand der Planungen: Flug gebucht, Visum muss abgeholt werden, Wohnung nicht vorhanden, Kontakt mit der Praktikumsstelle steht (mehr oder weniger)
Gefühlszustand: Schwankt zwischen "Ahhh, ich will hier nicht weg" und "Hurra, Abenteuer!"

So, dies ist nun also mein erster Eintrag. Muarrharrharr